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macht über diese Kompetenz, aber zugleich unter zahllosen Rechts-
verletzungen stattgefunden hat. Wer aber das Missverhältnis
zwischen der von uns postulierten unbeschränkten- Rechtsmacht
zur Gebietserweiterung und der so beschränkten physischen Macht
dazu belächelt, der sei an die privatrechtliche Handlungsfähig-
keit erinnert, vermöge der es auch dem Äermsten freisteht, sich
Edelsteine, Wertpapiere und Latifundien in beliebiger Zahl zu
kaufen. Und besteht ein solches Missverhältnis nicht auch in
der Sphäre der sachlichen Kompetenz? Man braucht nur an die
Hindernisse finanzieller Natur zu denken, an denen so viele Ver-
suche scheitern, diese Kompetenz auszudehnen und man- wird
einsehen, dass es auch mit der „inneren Allmacht“ der Staaten
seine guten Wege hat.
Wir können also HÄneıs Ausdruck „Kompetenz-Kompetenz“
ohne weiteres auch im örtlichen Sinne gebrauchen, womit die
von PREUSS und SEIDLER ‚behauptete Fähigkeit des Staates, sich
sein Gebiet selbst zu bestimmen, erst ihre richtige Stellung im
System erhalten haben dürfte. Dass dieselbe den nicht sou-
veränen Staaten nur in beschränkter Weise zukommt, haben wir
schon angedeutet. Das Mass dieser Beschränkung im einzelnen
festzustellen, würde hier wenig Interesse bieten. Von grösserer
Bedeutung ist, dass die erhebliche Mehrzahl der Schriftsteller
aunimnıt, das Deutsche Reich könne einen Gebietsteil nur mit
Zustimmung des (zliedstaates, dem dieser Gebietsteil angehört,
einem ausserdeutschen Staate abtreten, und dass diese Zustim-
ınung von den meisten nur hinsichtlich der in einem Friedens-
vertrage enthaltenen Gebietscession für entbehrlich gehalten wird.
Das Deutsche Reich würde hiernach zwar die unbeschränkte,
aber nicht die ausschliessliche Rechtsmacht iber seine örtliche
Kompetenz haben.
Eine eigentümliche Stellung nehmen ferner die dauernd neu.
tralisierten Staaten (die Schweiz, Belgien, Luxemburg, der Congo-
staat) ein. Die dauernde Neutralisierung hat den Zweck, den
Archiv für öffentliches Recht. XX. 8. 93