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merkt haben, stellt die Eigentumstheorie das Verhältnis des
Staates zum Mutterlande als ein viel zu äusserliches dar: die
Eigenschaftstheorie hingegen müsste — wenn sie konsequent
wäre — sein Verhältnis zu den Kolonien für enger und inniger
ausgeben, als einer theoretisch nicht voreingenommenen Betrach-
tungsweise entspricht. Beide Klippen vermeidet die Auffassung
des Gebietes als örtliche Kompetenzsphäre; sie passt ebenso gut
auf das Herz des Landes wie auf die jüngste Erwerbung in
Ostasien oder Central-Afrika.. Der Unterschied zwischen der
Wirkungsweise des Staates im Mutterlande und in den Kolonien
fällt hiebei lediglich in die Sphäre der personellen und der sach-
lichen Kompetenz: die Eingeborenen der Kolonien sind in der
Regel nicht Staatsbürger und die Aufgaben, die sich der Staat
in den Kolonien stellt, sind andere als in der Heimat teils wegen
des Abstandes im Kulturniveau, teils weil er seine Kompetenz
durch Gewährung weitgehender Autonomie freiwillig einschränkt.
Es erübrigt uns, das Verhältnis der örtlichen zu der perso-
nellen Kompetenz in der Hauptsache darzulegen. Dieses Ver-
hältnis lässt sich durch zwei Kreise versinnlichen, die sich derart
schneiden, dass ihre Flächen sich zum weitaus grösseren Teile
decken. Die beiden Kompetenzen treten nur hinsichtlich der im
Staatsgebiete weilenden Fremden und der im Auslande weilenden
Staatsangehörigen auseinander. Je mehr nun die Entwicklung
von einem blossen Nebeneinander von Staaten zu einer Gemein-
schaft und von dieser zu einer organisierten Gemein-
schaft von Staaten fortschreitet, desto mehr tritt die personelle
Kompetenz gegenüber der örtlichen in den Hintergrund. Ja, es
lässt sich behaupten, dass fast jeder Fall, wo die personelle
Kompetenz im internationalen Verkehr eine Rolle spielt, sich als
Symptom einer Hemmung jenes Entwicklungsprozesses darstellt.
Das gilt in erster Linie von der mit dem stärksten Hemmungs-
grunde — dem Kriege — in Verbindung stehenden Wehrpflicht,
heutzutage wohl der einzigen öffentlich-rechtlichen Pflicht, die
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