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dieses Staatssubjekt offenbar dem Rechte und Gesetze voraus-
gehen. Diese Konsequenz will man aber nicht ziehen; denn das
Staatssubjekt soll doch wieder rechtlichen Charakter haben und
vom Rechte die Persönlichkeit erhalten. Um diesem Dilemma aus-
zuweichen, lehrt man die gleichzeitige Entstehung von Recht und
Staat. Beides, Recht und Staat entständen miteinander, als
Zwillinge, gegenseitig sich stützend, beide enge umschlungen,
aber doch so, dass jedes seine besondere Wesenheit behält. Diese
Theorie befriedigt aber nicht, weil mit der Hinstellung des Staates
als besondere, vom Rechte sich abhebende Wesenheit der recht-
lichen Struktur des Staates nicht Rechnung getragen wird und
die Notwendigkeit der gleichzeitigen Entstehung von Recht und
Staat keine Erklärung findet. |
Die reine Körperschaftstheorie sieht im Rechte die Bewir-
kerin des Staatsverbandes. Das Recht ist dabei Bewirkerin nicht
in dem Sinne, dass es dem Staatsverbande vorausgeht und dann
letzteren erzeugt, sondern in dem Sinne, dass die Entstehung
des geltenden Gesetzes die Verbindung von Menschen und damit
den Verband bewirkt.
4.
Die Konstruktion eines staatsrechtlichen Subjektes im Innern
des Verbandes verdankt seine Entstehung politischen Tendenzen,
die sich gegen die absolutistischen Anschauungen richteten, wo-
nach der Staat als im Monarchen verkörpert betrachtet wurde.
Huco Grorıus lehrte, dass nicht der Monarch, sondern der
Staat Subjekt der staatlichen Machtfülle sei, dass der Monarch
nur den Repräsentanten oder das Organ des Staates bilde!. Man
hat, um die absolutistische Theorie zu bekämpfen und einem
richtigen Gedanken Ausdruck zu geben, zu einer verfehlten ju-
ristischen Konstruktion gegriffen. Es ist immer unzweckmässig,
ı Vgl. BERNATZIK, Archiv f. öffentl. Recht Bd. V S, 187.