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gegen ist die Konstruktion subjektiver individueller Rechte gegen-
über der Staatsgewalt als Objekt verfehlt, die individuellen Rechte
richten sich gegen die Staatsbehörden selbst, auf Innehaltung
der gesetzlichen Schranken bei Ausübung der Funktionen.
Der Begriff der Staatsgewalt wird auch verwendet zur Cha-
rakterisierung des Staatsverbandes gegenüber andern mensch-
lichen Verbänden: der Staatsverband sei Verband mit Staats-
gewalt, die andern Verbände seien solche mit anderer Gewalt, aber
nicht mit Staatsgewalt. Man hat behufs näherer Unterscheidung
die Staatsgewalt als Herrschergewalt bezeichnet, d. h. als Gewalt,
freien Menschen zu bıfehlen und sie zu zwingen. Damit wird
aber ein sicheres Kennzeichen nicht gefunden. Schon der Be-
griff des freien Menschen ist unbestimmt; er erinnert an das
naturrechtliche homo liber natus. Befehlen und zwingen sind
ebenfalls nicht Begriffe, die sich durch genauen juristischen Ge-
halt auszeichnen. Zur Charakterisierung des Staatsverbandes
gegenüber andern menschlichen Verbänden oder Gemeinwesen
braucht man aber nicht zu dem vagen Begriffe der Herrscher-
gewalt zu greifen. Das Kriterium kann in viel einfacherer und
präziserer Weise hervorgehoben werden: die Gesetze des Staats-
verbandes können alle Seiten des menschlichen Lebens erfassen,
in universaler Weise alle menschlichen Interessen ordnen; die
Normengebungen anderer Gemeinwesen können sich nur soweit
bewegen, als die staatliche Gesetzgebung Raum lässt oder dazu
ermächtigt. Ebenso verfehlt ist es, mit dem Begriffe einer ab-
gestuften Gewalt das Bundesstaatsverhältnis zu erklären; alles,
was von der Superiorität der Bundesgewalt gegenüber der glied-
staatlichen Gewalt gesagt wird, lässt sich viel zutrefiender aus-
drücken durch den Satz: Bundesrecht geht vor Partikularrecht.
Es ist auch nicht möglich, aus dem Begrifie der Gewalt heraus
den Unterschied zwischen dem Giliedstaate eines Bundesstaates
und einer Gemeinde zu erklären; wenn man hier wieder dem
Gliedstaate Herrschergewalt und der Gemeinde nur gewöhnliche