— 492 —
ruht, äussert sich darin, dass Frau und Kinder nicht aller der
Rechte teilbaftig werden, die dem hochadligen Manne zustehen.
_ Innerhalb dieses Allgemeinbegriffs der Missheirat bildet die
Ehe zur linken Hand wieder eine besondere Unterart. Denn
nur bei ihr ist die Schmälerung der Rechte von Frau und Kin-
dern in einem besonderen Vertrage, der sog. morganatischen
Klausel, festgesetzt, während sie bei der gewöhnlichen Misshei-
rat schon kraft Rechtssatzes eintritt. Dieser Vertrag gibt der
Ehe zur linken Hand das ihr eigentümliche Gepräge, da er eines
ihrer wesentlichen Begriffsmerkmale ausmacht.
2. Praktischer Grund ihrer Zulassung.
Der praktische Grund für die Anwendbarkeit der Ehe zur
linken Hand beruht auf jener Eigentümlichkeit des Privatfürsten-
rechts, die sich wie ein roter Faden durch den gesamten Ent-
wicklungsgang des hohen Adels, von den ersten Anfängen der
Territorialhoheit im 14. Jahrhundert an bis auf unsere Tage,
hindurchzieht, nämlich auf dem Bestreben, durch entsprechende
Anordnungen und Einrichtungen das „Lustre“* der Familie zu
wahren und aufrecht zu erhalten.
Dieses Bestreben tritt bei der Ehe zur linken Hand haupt-
sächlich auf zweierlei Weise in die Erscheinung: Zunächst in
dem Wunsche, das Erbrecht der ebenbürtigen Familienmitglie-
der möglichst ungeschmälert zu lassen, um sie nicht etwa der
materiellen Unterlage zu einem standesmässigen Leben zu be-
rauben, und ferner in der Rücksichtnahme auf das ‚beherrschte
Territorium, das der grösstmöglichten Freiheit von allen unnö-
tigen Belastungen mit Apanagen und Paragien bedarf,
Daher ist die Ehe zur linken Hand besonders dann ge-
bräuchlich, wenn ein Witwer, der schon in erster standesmäs-
siger Ehe ebenbürtige Kinder erzeugt hatte, zu einer zweiten
ı Letzteres Moment ist freilich für die Mediatisierten seit 1806 in den
Hintergrund getreten.