Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

— 37 — 
sei sich schon bisber der Pflicht bewusst gewesen, die partiku- 
lären Eigentümlichkeiten der nichtdeutschen Stämme zu schützen, 
zu achten und zu schonen, und es sei daher nicht angemessen, 
dass der preussische Staat in seiner Verfassung sich gleichsam 
eine Servitut auferlege, sich eine Zwangspflicht diktieren lasse, 
so hiess das doch nichts anderes, als dass der bestehende Rechts- 
zustand den fremdsprachigen Volkselementen genügende Achtung 
ihrer nationalen Eigentümlichkeiten beweise und dass es also vor- 
läufig dabei zu verbleiben habe, während der Staat sich für ver- 
änderte Umstände seine volle Aktionsfreiheit bewahren müsse. 
Da nun tatsächlich das Dreikönigsbündnis um diese Zeit zer- 
fiel und die an seine Stelle tretende deutsche Union es ebenfalls 
nur zu einem kurzlebigen Dasein brachte, so scheiterte nicht allein 
die Absicht des Antrags OSTERRATH, sondern auch der ihm parallel 
gehende Plan MANTEUFFELS. Und so war die Rechtslage des neuen 
preussischen Verfassungsstaates seinen polnischen Untertanen 
gegenüber an sich zunächst genau dieselbe wie diejenige seines 
Vorgängers, des absoluten Staates. Nach wie vor bestand die 
nicht unerhebliche Rücksicht zu Recht, welche laut der Verord- 
nung vom 9. Februar 1817 in ihrer Modifikation durch die Ka- 
binetsordre vom 15. Januar 1841 im Gerichtsverkehr auf die 
polnische Sprache genommen werden sollte, und noch im Jahre 
1859 hat das preussische Obertribunal anerkannt, dass in Posen 
auch der Deutsche als Beklagter polnisch verhandeln müsse, 
wenn polnisch geklagt sei. Andrerseits aber hatte sich auch 
nichts in Bezug auf das Prinzip geändert, wonach trotz solchen 
Entgegenkommens im einzelnen die „Landessprache“ und die. 
„allgemeine Geschäftssprache“ das Deutsche war. 
Dennoch aber haben sich durch den Erlass der Verfassung 
die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Fortentwicklung des 
preussischen Sprachenrechtes in nicht unerheblicher Weise ver- 
4° STRIETHORST, Archiv. Bd. 82. S, 148.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.