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sei sich schon bisber der Pflicht bewusst gewesen, die partiku-
lären Eigentümlichkeiten der nichtdeutschen Stämme zu schützen,
zu achten und zu schonen, und es sei daher nicht angemessen,
dass der preussische Staat in seiner Verfassung sich gleichsam
eine Servitut auferlege, sich eine Zwangspflicht diktieren lasse,
so hiess das doch nichts anderes, als dass der bestehende Rechts-
zustand den fremdsprachigen Volkselementen genügende Achtung
ihrer nationalen Eigentümlichkeiten beweise und dass es also vor-
läufig dabei zu verbleiben habe, während der Staat sich für ver-
änderte Umstände seine volle Aktionsfreiheit bewahren müsse.
Da nun tatsächlich das Dreikönigsbündnis um diese Zeit zer-
fiel und die an seine Stelle tretende deutsche Union es ebenfalls
nur zu einem kurzlebigen Dasein brachte, so scheiterte nicht allein
die Absicht des Antrags OSTERRATH, sondern auch der ihm parallel
gehende Plan MANTEUFFELS. Und so war die Rechtslage des neuen
preussischen Verfassungsstaates seinen polnischen Untertanen
gegenüber an sich zunächst genau dieselbe wie diejenige seines
Vorgängers, des absoluten Staates. Nach wie vor bestand die
nicht unerhebliche Rücksicht zu Recht, welche laut der Verord-
nung vom 9. Februar 1817 in ihrer Modifikation durch die Ka-
binetsordre vom 15. Januar 1841 im Gerichtsverkehr auf die
polnische Sprache genommen werden sollte, und noch im Jahre
1859 hat das preussische Obertribunal anerkannt, dass in Posen
auch der Deutsche als Beklagter polnisch verhandeln müsse,
wenn polnisch geklagt sei. Andrerseits aber hatte sich auch
nichts in Bezug auf das Prinzip geändert, wonach trotz solchen
Entgegenkommens im einzelnen die „Landessprache“ und die.
„allgemeine Geschäftssprache“ das Deutsche war.
Dennoch aber haben sich durch den Erlass der Verfassung
die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Fortentwicklung des
preussischen Sprachenrechtes in nicht unerheblicher Weise ver-
4° STRIETHORST, Archiv. Bd. 82. S, 148.