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mindestens 24 Stunden vor ihrem Beginn unter Angabe des
Ortes und der Zeit bei der Ortspolizeibehörde anzuzeigen hat,
In $ 4 aber wird dann weiterhin die Ortspolizeibehörde für be-
fugt erklärt, in jede Versammlung der bezeichneten Art einen
oder zwei Abgeordnete zu entsenden, welche als solche erkenn-
bar sein müssen und welche nach 88 5, 8 Abs. 3 berechtigt sind,
die Versammlung aufzulösen, falls die gesetzlich vorgeschriebene
Bescheinigung der rechtzeitigen Anzeige nicht vorgelegt werden
kann, wenn in der Versammlung Anträge oder Vorschläge er-
örtert werden, die eine Aufforderung oder Anreizung zu straf-
baren Handlungen enthalten, wenn in der Versammlung Bewaff-
nete erscheinen, die, der Aufforderung des Abgeordneten der
Obrigkeit zuwider, nicht entfernt werden, und endlich wenn
Frauenspersonen, Schüler oder Lehrlinge der Versammlung eines
politischen Vereins beiwohnen und sich auf die Aufforderung des
anwesenden Abgeordneten der Polizei nicht entfernen. Vom Ge-
brauch einer nichtdeutschen Sprache als Auflösungsgrund ist da-
gegen in dem ganzen Gesetze nicht die Rede, und so wird man
zunächst mindestens vermuten müssen, dass die Verordnung vom
11. 3. so wenig als die Verfassung vom 11. 1. 1850 das öffentliche
Interesse erkannt hat, welches eine Beschränkung der Versammlungs-
freiheitin derRichtung desSprachenrechtes hätte nahelegen können.
Diese Vermutung wäre freilich widerlegt, wenn sich neben
der Verordnung vom 11. 3. 1850 preussische Gesetze fänden,
die entweder der Polizeibehörde ein selbständiges Auflösungsrecht
von politischen Versammlungen wegen Gebrauchs einer Fremd-
sprache gäben oder in Verbindung mit jener Verordnung ent-
sprechend interpretiert werden müssten, wobei es natürlich für
die Gültigkeit der betreffenden Rechtsnormen an sich gar keinen
Unterschied machen würde, ob sie aus der Zeit vor oder nach
1850 stammen. Nun gibt es allerdings alte und neue Gesetze,
die der Polizei gestatten, auch aus anderen als den im Vereins-
gesetz genannten Gründen politische Versammlungen aufzulösen: