— 520 —
tritt in Preussen zum ersten Male seit Geltung der Reichsjustiz-
gesetze der Fall ein, dass eine politische Gemeinde in mehrere
Gerichtsbezirke geteilt wird. Dabei wird nun die Frage bren-
nend, welche Gesichtspunkte für die Zuständigkeit der am 31. Mai
1906 bei dem Amtsgericht I in Berlin anhängigen bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten für diejenigen Amtsgerichte massgebend sind,
zu deren Sprengel vom 1. Juni 1906 ab Teile des Stadtkreises
Berlin gehören werden. Nach dieser Richtung erscheint nur
eine Untersuchung in bezug auf das Verhältnis des bisherigen
Amtsgerichts I in Berlin zu einem dieser Gerichte erforderlich;
es sei hier das genannte Amtsgericht „Berlin-Schöneberg“ ge-
wählt. Das dabei gewonnene Resultat wird auch ohne weiteres
auf das Verhältnis des Amtsgerichts I in Berlin zu den übrigen
hier in Betracht kommenden Amtsgerichten anwendbar sein.
I.
Zunächst bedarf es einer Umgrenzung des Begriffes „an-
hängige bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“. Es erhellt dabei ohne
weiteres, dass hier nur eine Bestimmung des Begriffes gegenüber
dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Betracht kommt.
Nach dieser Richtung führt nun die Begründung zu dem Gesetze
„betreffend die Uebergangsbestimmungen zur deutschen Zivil-
prozessordnung und deutschen Strafprozessordnung“ vom 31. März
1879 zutreffend aus:
„Der Begriff „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“* hat durch die
Reichsjustizgesetzgebung eine technische Bedeutung gewonnen,
indem er alle diejenigen streitigen Angelegenheiten umfasst,
auf welche die deutsche Zivilprozessordnung reichsgesetzlich
Anwendung findet oder doch in Errmangelung eines besonderen
Vorbehalts Anwendung finden würde“!.
Es müssen aber unter den Begriff „bürgerliche Rechtsstrei-
ı Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen
des Hauses der Abgeordneten, 1878/79 Bd. I S. 27.