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habe. Das Reichsgericht hat das verneint, indem es ausführt,
das Befasstsein des Berufungsgerichts sei eine reine Rechtswir-
kung vergangener Handlungen, welche das neue Recht nicht be-
rühre 19,
Es erhellt hieraus das Prinzip, dass ein Gericht, sobald es
mit einer Sache wirklich befasst ist, diese auch trotz späterer
Aenderung der diesbezüglichen Gesetzgebung zu erledigen hat.
Demnach hat auch unser Gesetz, soweit es die Zuständigkeits-
normen berührt, keine rückwirkende Kraft, es sei denn, dass es
sich solche selbst wirksam zugelegt hat!0, Ist letzteres nun
der Fall? Entscheidend für diese Frage darf nicht nur der
Wortlaut des (Gesetzes, sondern auch jede sonst deutlich erkenn-
bare Absicht des Gesetzgebers sein 107 108,
Was zunächst den Wortlaut des vorliegenden Gesetzes an-
betrifft, so ergibt er für eine beabsichtigte Rückwirkung nicht
das Geringste. Dagegen lässt die Begründung zum Entwurf des
Gesetzes geradezu auf die Absicht des Gesetzgebers schliessen,
dem Gesetze keine rückwirkende Kraft beizulegen. Dort heisst
es wörtlich:
„Die beim Inkrafttreten der Neuorganisation bei einem der
davon betrofienen Gerichte anhängigen bürgerlichen Rechtsstrei-
tigkeiten sind bei demselben auch dann zu Ende zu führen, wenn
für sie ein anderes Gericht zuständig gewesen wäre, falls die
Organisation schon zur Zeit der Klageerhebung bestanden hätte
106 Siehe ferner die fast gleichlautende Entsch. des OLG. Karlsruhe i.
d. „Rechtsprechung der Oberlandesgerichte* Bd. II (1901) S. 805 f., desgl.
die Entsch. d. RG. in JW. 1900 S. 410.
106 Bezüglich der Nichtrückwirkung neuer Zuständigkeitenormen auf
anhängige Rechtsstreitigkeiten i. e. und w.S. Siehe PETERSEN-ANGER 2.8. 0.
II Anhang I S. III Nr. 8 Abs. 2, 8. V Nr.7, 8. XVI Nr. 27, S. XVII Nr. 28,
29, S. XVII Nr. 80.
107? WINDSCHEID, Pandekten. 8. Aufl. (1900).1 S. 110/112.
168 MARTIN, Vorlesung über die Theorie des. deutschen gemeinen Bür-
gerlichen Prozesses, 1855, S. 107.