Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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fahren der House of Commons beschäftigt, so wird doch die Beziehung 
dieser Körperschaft zum House of Lords und die Arbeitsteilung zwischen 
den beiden Häusern und ebenso das Verhältnis der beiden Häuser zu den 
anderen Staatsorganen in so ausgiebigem Masse erörtert, dass das Buch 
als zuverlässiges Handbuch über das gesamte parlamentarische Verfahren 
und über die staatsrechtliche Stellung der beiden Körperschaften benutzt 
werden kann. 
Sowohl bei der historischen Schilderung als bei der Darstellung des 
gegenwärtigen Zustands beweist R. nicht nur seine reiche Kenntnis der 
Quellen und der staatsrechtlichen Literatur, sondern auch den praktischen 
Blick für die charakteristischen Tatsachen, der für die richtige Erkenntnis 
englischer Verhältnisse ebenso unentbehrlich ist wie der Fleiss und die 
Genauigkeit des Forschers. Dass er darauf verzichtet, die Ergebnisse seiner 
Forschung in juristische Formeln einzuzwängen, dass er die Entwickelung 
auf historische und politische Faktoren zurückführt und nicht auf die 
Einwirkung theoretischer Schulmeinungen, ist ein weiterer Beweis dafür, dass 
er ein Kenner der englischen Volkseigentümlichkeiten und des englischen 
öffentlichen Lebens ist. 
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich in einem ausführlichen 
Werke über einen so vielverzweigten Gegenstand einzelne Stellen finden, 
welche verbesserungsbedürftig erscheinen. So kann z. B. der Berichter- 
statter nicht mit der auf S. 529 ausgesprochenen Ansicht übereinstimmen, 
nach welcher der Begriff der englischen Parlamentsakte „grundverschieden 
ist von den auf dem Kontinente herrschenden Gesetzesbegrifien“. Die als 
Beleg zitierte Stelle aus ILBrrTs „Legislative Methods and Forms“ erwähnt 
nur, dass die englischen Gesetze 'sich mehr mit Aenderungen im Verwal- 
tungsmechanismus als mit eigentlichen Rechtsänderungen befassen, eine 
Angabe, die in dem Sinne, in welchem sie offenbar gemeint ist, auch in 
Bezug auf die festländischen Gesetze anwendbar wäre und die jedenfalls 
nur den Inhalt der Gesetze nicht aber den „Gesetzesbegriff“ als solchen 
berührt. Die Bemerkung auf S. 733, nach welcher es als eine englische 
Eigentümlichkeit dargestellt wird, „dass auch jeder einzelne, der in Ver- 
folgung seiner Sonderinteressen, über die ihm durch. das Common Law und 
die allgemeinen Gesetze gewähren, privaten Rechtskreises hinausstrebt, zur 
Legalisation seines Tuns besonderer Erlaubnis des Gesetzgebers bedurfte“ 
behauptet ebenfalls einen Gegensatz zwischen englischem und festländischem 
Rechte, der in Wirklichkeit nicht besteht. Es gibt wohl keinen zivilisierten 
Staat, in welchem es erlaubt wäre ohne gesetzliche Ermächtigung in die 
Rechtssphäre eines anderen einzugreifen. Das Charakteristische der eng- 
lischen „Private Bill Legislation“, auf welche sich die zitierte Stelle be- 
zieht, besteht nicht in der Anerkennung der Notwendigkeit gesetzlicher Er- 
mächtigung für ein derartiges Eingreifen (z. B. bei der Enteignung), sondern 
in dem eigentümlichen kontradiktorischen Verfahren, in welchem die gesetz-
	        
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