Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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preussischen Staates in seinem gesamten öffentlichen Ikeben zur 
Anwendung zu bringen, ist von diesem Gesetz, das in alter 
Weise Staatssprache mit Geschäftssprache identifiziert, nicht er- 
füllt worden, ist eine Redensart geblieben. Der damit gegebene 
Zustand, dessen politische Gefahren von Jahr zu Jahr wachsen, 
muss erkannt und darf nicht verschleiert werden. Denn erst, 
wenn an massgebender Stelle die Ueberzeugung durchgedrungen 
sein wird, dass man auf dem bisherigen Wege gequälter Aus- 
legung bestehender Gesetze den vorhandenen Staatsnotwendig- 
keiten niemals gerecht werden kann, wird ınan sich zu dem ent- 
schliessen, was längst hätte geschehen sollen, nämlich zum Erlass 
eines Spezialgesetzes, welches das Deutsche zur allein zuge- 
lassenen Sprache politischer Versammlungen im preussischen 
Staatsgebiete erhebt und damit dem Begriffe der deutschen 
Staatssprache für das preussische Recht einen erweiterten Inhalt 
verleiht”. Eine Verfassungsänderung ist hierzu keineswegs nötig ®®. 
Denn Artikel 30 der preussischen Verfassungsurkunde erklärt, 
die Ausübung des in Artikel 29 garantierten Versammlungs- 
rechtes werde durch „Gesetz“ geregelt, d. lı. auf dem Wege des 
gewöhnlichen Ausführungsgesetzes. Ebenso wie das gleich nach 
Erlass der Verfassung im Vereinsgesetz vom 11. 3. 1850 ge- 
schehen ist, könnte es heute wieder geschehen: das Versammlungs- 
recht erhielte dadurch lediglich eine neue, im öffentlichen Interesse 
notwendig gewordene Bestimmung der Modalitäten seiner Aus- 
übung. Das Prinzip der Versammlungsfreiheit aber, als ver- 
fassungsmässig gewährleistetes Grundrecht der preussischen Staats- 
bürger, bliebe völlig unangetastet. 
* Kurz 2 nach der Niederschrift des vorstehenden Aufsatzes, vom 16. Ja- 
nuar 1905 hat der Minister des Innern, Frhr. von HAMMEBSTEIN, im preus- 
sischen Abgeordnetenhaus tatsächlich eine entsprechende Veränderung des 
Vereinsgesetzes für den Schluss der laufenden oder den Beginn der nächsten 
Tagung in Aussicht gestellt. 
& Anderer Meinung anscheinend das Urteil des OVGs vom 28. Septem- 
ber 1876. Uebereinstimmend PAALZOW @. 8. o 8. 44 f. 
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