Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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zur grösseren Kürze und Uebersichtlichkeit des ganzen Werkes beigetragen 
haben. 
Kelbra (Kyffhäuser). Mantey, Rechtsanwalt. 
Max Treu, Der Bankrott des modernen Strafvollzugs 
und seine Reform. Stuttgart. Robert Lutz. 1904, 
Die Mängel unsers gegenwärtigen Strafvollzugs können von sachver- 
ständiger Seite nicht oft genug in der Oeffentlichkeit gekennzeichnet wer- 
den. Wenn jeder Berufene nur etwas Neues vorträgt, muss er zur Berei- 
cherung eines bedeutungsvollen Materials willkommen geheissen werden. 
Ja, es koınmt, wie die Frage unsres Strafvollzugs einmal liegt, weniger dar- 
auf an, dass etwas Neues gesagt, sondern darauf, dass erkannte Wahrheiten 
immer und immer wieder in Erinnerung gebracht werden. Max 'IREU ge- 
langt auf Grund eines beachtlichen Materials im allgemeinen zu denselben 
tatsächlichen Ergebnissen, welche jeder unbefangene Kenner. unseres 
Strafvollzugs finden muss. Mit sehr vielem, was TREU ausführt, stimme 
ich vollständig überein. Man darf sich auch freuen, bei ihm neue Vor- 
schläge, z. B. hinsichtlich der Einführung von Turnstunden, anzutreffen, 
Nur können wir in der Verurteilung des Strafvollzugs nicht soweit gehen 
wie Teev. Er schiesst weit über das Ziel, und das ist um der guten Sache 
willen, welcher er dient, schade, wie das nuch schon bei den vorbildlichen 
Ausführungen von LEUSS zu bedauern war. Uebertreibungen sind allerdings 
geeignet, die Aufmerksamkeit zu wecken und die Gemüter zu erregen, da- 
mit erfüllen sie gewissermassen eine Mission. Im übrigen schwächen sie 
aber die Wirkungen bei den massgebenden Stellen vielfach völlig ab. „Es 
ist nichts gut an diesem Strafvollzug, es ist alles voller Verwesung und 
Moder* (S. 66). So etwas muss man nicht schreiben. Einzelne Behaup- 
tungen lassen sich sofort widerlegen. TREU verlangt im allgemeinen, dass 
die Durchsicht der Gefangenenkorrespondenz abgeschafft werde (S. 65). Dann 
würden bald von einem gewissen Buchhandel Sammlungen unflätigster und 
trechster Briefe unter den stolzen Hinweise darauf vertrieben werden, dass 
sie aus staatlichen Strafanstalten geschrieben und versandt worden sind! 
Prostitution des Edelsten und Besten im Gefangenen ? Das ist nicht wahr. 
Ich lese täglich solche Briefe und studiere sie auf ihre Psychologie. Ich 
kann nicht finden, dass die Gefangenen mit solchen Empfindungen schreiben. 
Dass die entlassenen Sträflinge „meistens noch gerade in Haut und Knochen 
häüngen* (S. 71), ist ebenfalls übertrieben. Ich bin Jahre lang mit offenen 
Augen in einem Zuchthause fast tüglich aus- und eingegangen. Sehr viele 
Sträflinge werden durch die überreiche Suppenkost aufgeschwemmt. Daher 
auch Jie günstigen Gewichtsresultate bei der Entlassung. Der Hauptfebler 
unsres Strafvollzugs ist, dass er die Erziehungsfähigen von den Unverbes- 
serlichen nicht völlig scheidet. Es gibt eine grosse Anzahl von Verbrechern, 
die auch der idealste Strafvollzug in keiner Weise günstig beeinflussen
	        
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