Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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kannt gemacht werden sollen. Die Unzulänglichkeit der „Grundsätze“ des 
Bundesrats ist natürlich auch von der Preussischen Gefängnisordnung nicht 
überwunden worden. KLEINs Arbeit hat also nicht nur für den praktischen 
Beamten, sondern auch für den Theoretiker und Sozialpolitiker ihren Wert. 
Dresden Dr. Wulffen. 
F. A. Karl Krauss, Der Kampf gegen die Verbrechensur- 
sachen. Paderborn, 1905. Ferdinand Schöningh. 
Es ist von hohem Interesse, in unseren Tagen die ernste Warnungs- 
stimme eines so erfahrenen.Mannes wie dieses ehemaligen Zuchthauspfarrers 
zu vernehmen. Er geht von der richtigen, in der Sozialpolitik oft verkann- 
ten Voraussetzung aus, dass Verbrechensverhütung ein ungleich dankbareres 
Unternehmen ist als Verbrechensbestrafung. 
Krauss unterscheidet eine allgemeine oder fundamentale Verbrechens- 
prophylaxe durch Religionspflege und Erziehung und eine spezielle Verbre- 
chensprophylaxe, welche im Kumpfe gegen den Missbrauch geistiger Ge- 
tränke und gegen die Unzucht sowie in der Bekämpfung der Arbeitsscheu, 
des Gewohnbeitsbettels und der Landstreicherei und endlich des Rückfalls 
in das Verbrechen durch Fürsorge für die Bestraften besteht. KrAUSS ent- 
rollt ein ernstes, erschreckendes Bild unsrer gegenwärtigen Zustände. Aus- 
gezeichnet z. B. und für den praktischen Kriminalisten bedeutungsvoll ist 
das Kapitel „Unzucht und Verbrechen“ (S. 214), in welchem gezeigt wird, 
wie viele Verbrechen mit der Unzucht zusammenhängen. Dass der Verbre- 
chenskatalog am Dekalog entwickelt wird, erhöht die erschütternde Wirkung. 
Dieses Kapitel wünschte ich im Sonderabdruck in jede Gefängnis- und 
Zuchthauszelle: Es sind keine geringen Vorwürfe, die KRAUSS gegen den 
modernen Staat erhebt, der auf den erwähnten Gebieten der Verbrechens- 
verhütung bei weitem zu wenig tätig wird. Dass die Behandlung der Für- 
sorge für die Bestraften bei dem Verfasser ganz besonders ergiebig sein 
werde, stand nicht anders zu erwarten. Er besitzt auf diesem Gebiete eine 
beneidenswerte Erfahrung und ein ausgezeichnetes Urteil. Sympathisch be- 
rührt auch im ganzen Buche die Heranziehung von Belegen aus der Bibel 
und der alten und neuen Kirchengeschichte. Gleichwohl ist es das religiöse 
Moment, welches uns wissenschaftlich von KRAUSS scheiden muss. Wenn 
er dem modernen Staate den Vorwurf macht, dass er alles tue, um die 
kirchliche Autorität im Volke zu brechen, so darf nicht unerwähnt bleiben, 
dass vorher dieselbe Kirche eine gefährliche Alleinherrschaft über die Ge- 
müter erstrebte und sich deshalb zur Lösung der ferneren politischen Auf- 
gaben als nicht befähigt erwiesen hat. Wenn Krauss beweisen will, dass 
unter der Herrschaft der Gottlosigkeit die Kriminalität im Staate gewachsen 
sei, so verschweigt er die geschichtliche Wahrheit, dass gegenüber den Ver- 
brechen, welche früher im Namen Gottes, Christi und der Religion verübt 
worden sind, die gegenwärtige Kriminalität als eine Erleichterung zu be-
	        
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