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in jenen Massnahmen äusserte sich zunächst das damals wiederbeginnende
kirchliche Leben, für dessen Betätigung es dann weiter in der Verfassung
nur die Form zu finden galt. Das Buch von Förster illustriert in sehr
schöner Weise das, was ich über die Bedeutung der Verwaltung für die
Beurteilung der kirchlichen Verfassungsfragen gesagt habe (zit. Grundzüge
S. 2).
Zu einem rechtlich fassbaren Begriff der Landeskirche kann der Verf. in
dem vorliegenden ersten Bande naturgemäss noch nicht kommen. Ein solcher
ist in seiner später ausgeprägten Eigentümlichkeit im Jahre 1817 noch
nicht gewonnen. Man wird gespannt auf die Fortsetzung des Werkes sein,
für die dem Verf., wie er mitteilt, das Material schon gesichtet vorliegt.
Förster wird hierbei m. E. besonders zu beachten haben, welche grosse
Rolle bei der späteren Ausgestaltung der Verfassung der altpreussischen
Landeskirche die ressortmässige Unterscheidung der sog. Interna und Ex-
terna der kirchlichen Verwaltung gespielt hat, die nicht wie er (S. 262) an-
zunehmen scheint, identisch ist mit der der iura in sacra und circa sacra,
wenn sie sich auch wohl aus der kollegialistischen Doktrin hierüber ent-
wickelt hat. Die iura in sacra und circa sacra zu scheiden und verschie-
denen Organen zu überlassen, ist jedenfalls durchführbar und im modernen
paritätischen Staat auch wohl geboten. Mit dem Versuch, die Besorgung
der kirchlichen Interna und Externa in verschiedene Hände zu legen, hat
man bisher keine guten Erfahrungen gemacht; das praktische Bedürfnis,
im Interesse einer wirksamen kirchlichen Verwaltung diese Verbindung
wieder herzustellen, war einer der wesentlichsten Gründe, für die Verwal-
tung aller kirchlichen Angelegenheiten einen einheitlichen rein kirchlichen
Behördenorganismus zu schaffen. Die Beachtung dieses Zusammenhanges
wird zu einem richtigen Urteil darüber führen, inwieweit des Verfassers
Idealbild einer in allen äusseren Angelegenheiten unmittelbar vom
Staat geleiteten, in inneren Angelegenheiten aber ohne Zwang frei handeln-
den Kirche praktisch durchführbar ist; sie wird vielleicht auch den Ver-
fasser auf eine Würdigung der Gesichtspunkte hinführen, die in der Denk-
schrift des Evangelischen Oberkirchenrats über die Entwickelung der evan-
gelischen Landesirche der älteren Provinzen (Berlin 1900) als Richtlinien
für die Zukunft aufgestellt sind und die übrigens ganz im Geist der An-
schauungen des Freiherrn von Stein sind, für die sich Förster in schöner
Darstellung derselben (S. 127 ff. 167) so erwärmt.
Jena, Niedner.