Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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durch rein physischen Zwang den Widerstand eines Staates zu 
brechen suchte, geben von RÖNNE und HÄNEL dem Reiche die 
rechtliche Möglichkeit, auf die Anwendung eines solchen rein 
physischen Zwanges zu verzichten und das gleiche Ziel, Erfül- 
lung der Bundespflichten, auf einem „friedlicheren“ Wege, durch 
das Mittel der „bürgerlichen“ Exekution, zu erreichen; insofern 
hiernach das Reich berechtigt sein soll, von einem rein physischen 
Zwang abzusehn, und statt dessen direkt befehlend in die Landes- 
Staatsgewalt einzugreifen, lässt sich aber diese staatsrechtliche 
Konstruktion vergleichen mit kulturellen Fortschritten, welche 
das zivilprozessuale und das landesverwaltungsrechtliche Zwangs- 
vollstreckungsrecht ebenfalls auch erst im Laufe des 19. Jahr- 
bunderts gemacht hat: für den Fall, dass ein Schuldner zur 
Abgabe einer Willenserklärung verurteilt war, verzichtete zuerst 
ein sächsisches Civilprozess-Gesetz im Jahre 1836 im Gegensatz 
zum bisherigen allgemein geltenden Recht darauf, den Schuldner 
durch physischen Zwang (sei es Strafe, wie in C.P.O. 8 890, 
sei es nur Beugezwang, wie in C.P.O. 8 888 f.) zun Abgeben 
der Willenserklärung zu veranlassen, bestimmte vielmehr einfach, 
„die Erklärung gilt als abgegeben, sobald das Urteil die Rechts- 
kraft erlangt hat“, und das Reichscivilprozessrecht folgte 1879 
(C.P.O. $ 779, jetzt $ 894) mit Recht jenem sächsischen Gesetz 
auf dem eingeschlagenen Wege; andererseits schuf im letzten 
Jahrhundert das Verwaltungsrecht gegenüber Selbstverwaltungs- 
körpern das vom Regierungspräsidenten auszuübende Recht der 
Zwangsetatisierung und verzichtete damit auf einen physischen 
Zwang, der etwa durch Siegeln und Wegnehmen von seiten 
eines Gerichtsvollziehers sich äussern würde. Hat aber in diesen 
Fällen das neuere Recht gegenüber Individuen und Selbstver- 
waltungskörpern im Sinne einer „friedlicheren*, so zu sagen 
gesitteteren Rechtspflege auf rein physischen Zwang verzichtet, 
so dürfte auch in unserem Falle eine Rechtsauslegung möglich 
und infolge der allgemeinen Fassung des Art. 19 sogar nötig
	        
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