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Zwar vermag die Gesamtstaatsgewalt diese Schrauken —
wenigstens was das Deutsche Reich anbelangt — zu brechen
(A. 78 der Reichsverfassung) '°. Aber solange sie nicht gebrochen
sind, bestehen sie jedenfalls und bilden eine rechtliche Schranke
für die Ausübung der Gesamtstaatsgewalt, und es kann an dieser
Tatsache gar nichts geändert werden durch die Möglich-
keit, daß sie — im Rahmen des A. 78 — gebrochen werden
könnten; denn für die wirkliche Rechtslage ist nicht entschei-
dend, wie die Kompetenzgrenze swischen Gesamtstaatsgewalt und
Gliedstaatsgewalt gezogen werden könnte, sondern wie sie ge-
zogen ist !®,
Will also LABAND der Einzelstaatsgewalt um deswillen den
Charakter der Souveränität absprechen, weil ihre Kompetenz, ihr
sachliches Betätigungsfeld begrenzt ist, so müßte er sie konse-
quenterweise auch dem Reich versagen ; denn der jetzige Rechts-
zustand ist der, daß den Einzelstaaten ein Gebiet staatlicher
Tätigkeit und Macht verblieben ist, auf welchem sie, und nicht
das Reich, die Herren sind "”.
Aber souverän '® sein heißt ja, wie wir gesehen haben, nicht:
alle Hoheitsrechte haben, sondern lediglich: haben können.
M. a. W. dem Souveränitätsbegriff in subjektiven Sinne
ist weder ein bestimmtes räumliches, noch ein
bestimmtes sachliches Anwendungsgebiet we-
sentlich: dielokale und die materielle Zuständig-
keit einer konkreten summa potestas bildet nicht den Inhalt
15 Vgl. jedoch die sog. Reservatrechte A. 78. Abs. Il.
16 LABAND selbst bestätigt dies, wenn er — weiter unten — S. 128 sagt:
Solange die Rechtssphäre des Reichs durch eine bestimmte Linie abge-
grenzt ist, kann jeder einzelne Staat verlangen, daß sich die Reichsge-
walt eines Uebergritis in das jenseits dieser Sphäre liegende Gebiet ent-
halte... ., vgl. auch JELLINEK a. a. O. S. 717.
1 So LARAnD selbst a. a. O. S. 106.
!+ Souverünitüt als Eigenschaft der Staatsgewalt.