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Es ist daher nicht richtig, wenn LABAND a. a. O. II, S. 122
sub e — mit Beziehung auf das Deutsche Reich — sagt, die
Kompetenz der Einzelstaaten trete „subsidiär“ überall da ein, wo
es an einem die Kompetenz des Reichs begründenden Rechtssatze
fehle: die Kompetenz der Einzelstaaten ist, nach dem
Gesagten, keine subsidiäre, sondern vielmehr eine im
Zweifel anzunehmende.
FErgeben sich also (mit fortschreitender Kulturentwieklung)
neue Richtungen für die Betätigung der Staatshoheit (i. subj.
S.), d. h. entstehen neue substantielle Hoheitsrechte in einem kon-
kreten Bundesstaate, so stehen dieselben der Einzelstaatsgewalt
zu, sofern nicht ihre Subsumtion unter ein der Gesamtstaatsge-
walt bereits zuständiges Hoheitsrecht als einem gemeinsamen Ober-
begriff gerechtfertigt erscheint ?®, —
Wenn aber LABAND a. a. O. S. 63 behauptet”, die Einzel-
staatsgewalt sei auch auf dem ihr verbliebenen Felde staatlicher
Tätigkeit rechtlich verbunden, sich den Einwirkungen der Reichs-
gewalt zu fügen, so kann dies schlechterdings nicht zugegeben
werden. Denn in dem Augenblick, wo eine Herrschergewalt
„hinsichtlich der Ausübung oder Nichtausübung ihrer Herrscher-
tätigkeit von einer andern Gewalt rechtlich verpflichtende und
erzwingbare Vorschriften empfängt“ (LABAnD a. a. O. S. 73),
hört sie nicht nur auf, souverän zu sein (so LABAND),
sondern sie hört überhaupt anf, Staatsgewalt,
di. Herrschergewalt zu sein.
Denn herrschen heißt ja gerade seinen eigenen Wil-
len — in betr. Richtung — zur Geltung bringen bzw.
durchsetzen; m. a. W. unabhängig sein von einem fremden über-
risch entstanden ist; für den Bundesstaat, der historisch aus der Zerbrök-
kelung eines Einheitsstaates hervorgegangen ist, ist das Gegenteil
richtig.
% Vgl. Heup, Reichs-Verf. S. 53 ff.; und ARNDT, Staatsrecht des Deut-
schen Reichs 8. 42.
® Mit Beziehung auf das Deutsche Reich.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIII. 1f2. 7