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vor; die Einzelstaatsbehörden sind, soweit sie Reichsfunktionen
verwalten, mittelbare Reichsbehörden gleichwie Kom-
munalbehörden mittelbare Staatsbehörden sind *. —
Ebensowenig wird aber die Souveränität der Einzelstaaten
„innerhalb ihrer Sphäre“ durch A. 2 der RV. in Frage gestellt,
wonach „die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen“. Denn
damit ist nicht gesagt, daß „sich das vom Reich erlassene Ge-
setz im Verhältnis zum Landesgesetz als der Befehl einer
höheren, nämlich der „souveränen* Macht“ qualifiziere“, wie
LABAND a. a. OÖ. S. 94 ausführt:
Nicht weil die gesetzgebende Gewalt, der pouvoir legislatif
der Einzelstaaten eine schwächere ist als die des
Reichs, absorbiert ein in bestimmter Richtung sich bewegen-
des Gesetz des Reichs ein in derselben Richtung verlaufendes
Landesgesetz, sondern weildas Landesgesetz mit dem
Augenblick, wo es — auf dem Gebiete der fakultativen Gesetz-
gebung des Reichs (A. 4 der RV.) — in Konkurrenz mit einem
Reichsgesetz tritt, nach A. 2 der RV. aufhört zuständig
zu sein und damit überhaupt aufhört, Gesetz zu sein.
Die Absorption der Landesgesetze durch die Reichsgesetze
— auf dem durch A. 4 der RV. definierten und begrenzten Ge-
biete — beruht also nicht auf der Souveränität der
Reichsgewalt, sondern auf ihrer Zuständigkeit. Diese
wiederum hat ihren Grund nicht in der VUeberlegenheit
der Gesamtstaatsgewalt gegenüber der Einzelstaatsge-
walt, sondern ist begründet in der Verfassung, welche eben
in ihrem A. 2 bestimmt, daß die Reichsgewalt im Rahmen des
durch A. 4 definierten und begrenzten Gebietes ihre eigene Zu-
ständigkeit auf Kosten der gesetzgebenden Gewalt der Einzel-
staaten ebenso durch ein einfaches Gesetz erweitern könne,
wie sie dieselbe nach Art. 78 Abs. I durch ein verfassungs-
#5 Vgl. LapanD selbst a. a. O. S. 364.
16 Lapann a. a. O. Il, S. 115.