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das angegangene bayrische Gericht selbstverständlich preußisches
Gesinderecht zur Anwendung zu bringen aber lediglich weil der
Erfüllungsort des Dienstverhältnisses in Preußen liegt, nicht aber
weil die Vorschrift des Artikels 95 EGBGB. bestimmt, daß in
Bayern preußisches Gesinderecht konserviert würde. Bei den
Normen des Strafprozeßrechts aber ist zu beachten, daß sie, wie
jedes Prozeßrecht vom strengsten Territorialitätsprinzip beherrscht
werden. Es liegt daher in der Natur der Sache, daß der bay-
rische Strafrichter neben dem Reichsstrafprozeßrecht nur das
(reichsrechtlich zugelassene) bayrische Prozeßrecht zur Anwendung
bringt. Preußisches Prozeßrecht könnte er nur dann zur An-
wendung bringen, wenn das Reichsrecht, indem es das Unberührt-
bleiben der der Reichsstrafprozeßordnung widersprechenden bay-
rischen Bestimmungen festlegt, damit auch gleichzeitig dieses zu
konservierende bayrische Recht für Preußen zur Anwendung
bringen wollte. Schon mit dem Wortlaut des $ 6 EGStPO. ist
dies aber schlechterdings unverträglich.
Für die von der gegnerischen Meinung beliebte Ausdehnung
des 8 6 EGStPO. spricht aber auch nicht der Sinn und Zweck
dieser Bestimmung. Der Gedanke der zu Schaffung des $ 6 ge-
führt hat, tritt uns ja in der Reichsgesetzgebung überaus häufig
entgegen; ihm verdanken ja auch soviele Bestimmungen des Ein-
führungsgesetzes zum bürgerlichen Gesetzbuch, der Zivilprozeß-
ordnung ihre Entstehung, dem Gedanken nämlich, daß es nach
der ganzen Struktur der Verfassung des Reiches möglichst ver-
mieden werden soll, in das innere Staatsrecht der Einzelstaaten
einzugreifen, selbst da, wo eine verfassungsmäßige Kompetenz
hierzu an sich gegeben wäre.
Selbstverständlich hätte das Reich, indem es auf Grund des
Artikels 4 Ziffer 13 RV. das Strafprozeßrecht einheitlich reichs-
rechtlich regelte, auch das landesrechtliche Immunitätsrecht der
Abgeordneten, soweit es prozessualer Natur war, aufheben oder
sonst tangieren können. Aber wie in vielen Fällen, so hat man