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zip, das in allen Staaten mit Zweikammersystem durchgeführt ist.
Nur unter diesen Umständen hätte der Reichstag die Möglichkeit,
seine Beschlüsse zu jeder Zeit aufzuheben, in der Gesetze zustande
kommen.
Da der Reichstag nicht immer versammelt sein kann, so
würde sich daraus als Forderung de lege ferenda eine Be-
schränkung des Gesetzgebungsrechts des Bun-
desrats auf die Zeitergeben, in der der Reichs-
tag versammelt ist.
Nicht eingewendet kann gegen diese Forderung werden, daß
der Reichstag sehr selten seine Beschlüsse aufheben wird. Ent-
scheidend ist vielmehr lediglich die Möglichkeit der Auf-
hebung. Ob der Reichstag dies tatsächlich tut oder nicht, ist
rechtlich gleichgültig; denn im Rechtsleben gilt nur der erklärte
Wille. Selbst der Nachweis, daß der Reichstag bei erneuter Ab-
stimmung über eine Gesetzesvorlage anders beschließen würde, ist
so lange belanglos, als der Reichstag dies nicht tatsächlich ge-
tan hat.
3. Für gewöhnlich ist der Gang der Reichsgesetzgebung der.
daß ein Gesetzesentwurf vom Bundesrat beraten, hierauf dem
Reichstag zur Beschlußfassung vorgelegt und nach dessen Zustim-
mung vom Bundesrat sanktioniert wird. Der Bundesrat stimmt
dann zweimal über den (Gesetzesentwurf ab. Angesichts dessen
erhebt sich die Frage: welchen rechtlichen Charakter haben die
beiden, insbesondere die erste Abstimmung des Bundesrates? Ueber
diesen Punkt hat sich eine Meinungsverschiedenheit zwischen GEORG
MEYER und LABAND erhoben. Jener* kommt bei seinen Unter-
suchungen zum Resultat, daß der erste Beschluß des Bundesrates
eine Abstimmung darüber enthalte, ob zu demselben die Zustim-
mung des Reichstags eingeholt werden soll, also über die ge-
schichtliche Behandlung desselben, daher sei es notwendig, daß
* Anteil der Reichsorgane an der Reichsgesetzgebung S. 54 ff.