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gane, wie dem Bundesrat, sowohl das Recht der Initiative,
als das der letzten Abstimmung zusteht, so ist es eine
notwendige Erscheinung, daß das betr. Organ zweimal ab-
stimmt, wenn dasselbe bei einem Gesetz von beiden Rechten
Gebrauch macht. Dies ist der Fall, wenn der betr. Gesetzesent-
wurf der Initiative des Bundesrates entspringt. Der erste Be-
schluß ist dann lediglich ein Vorschlag, ein Gebrauchmachen vom
Rechte der Initiative. Es ist aber noch nicht die rechtlich rele-
vante Erklärung; dies ist schon deshalb nicht möglich, weil
der Sanktionsbeschluß dieselbe enthält, und der Bundesrat seine
rechtlich relevante Erklärung überhaupt nicht zweimal abgeben
kann. Wenn daher ein Gesetzesentwurf vom Bundesrat ausge-
gangen und vom Reichstag unverändert angenommen wird, so
entsteht der Schein der Uebereinstimmung, keine Uebereinstim-
mung im Rechtssinn. Wenn dieselbe bereits in dem genannten Augen-
blick vorhanden wäre, so wäre es gar nicht möglich, daß der Bundes-
rat nachträglich das Gesetz noch sanktioniert bzw. die Sanktion
versagt; denn er würde dann seine eigenen Beschltisse bestätigen
bzw. hätte ein Veto gegen dieselben. Daß der Bundesrat sich
eingehender mit dem Inhalt des Gesetzes beschäftigt, wenn er
von seinem Recht der Initiative Gebrauch macht, ist leicht er-
klärlich.. Es wird dadurch Zeit erspart, weil der Reichstag bei
diesem Verfahren unterrichtet wird, ob der Bundesrat dem Ge-
setzesentwurf — rebus sic stantibus — seine Sanktion erteilen
wird oder nicht.
Dieses Recht der letzten Abstimmung, das im Art. 7 Ziff. 1
RV. statuiert ist und in der Praxis immer ausgeübt wird, steht
auch keineswegs im Widerspruch mit Art. 5 RV., wie dies häufig
angenommen wird. Eine Üebereinstimmung im Rechtssinn, von
der Art. 5 RV. spricht, ist gleichbedeutend mit Willenseinigung.
Diese aber wird hergestellt nur durch zwei relevante Willenser-
klärungen der beiden gesetzgebenden Faktoren. Da der Bundes-
rat seine erste Abstimmung selbst nicht als seine maßgebende