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bare Herkunft von England. Es ist daher für jeden, der sich
mit der brennenden Frage der Laienrechtsprechung in Strafsachen
abfinden will, unerläßlich, das vielgerühmte und vielgeschmähte
Gebilde auf dem Boden kennen zu lernen, auf dem es erstmals
erwachsen ist und von dem aus es seinen Siegeszug durch die
Kulturvölker angetreten hat.
Wenn man England als die Heimat und das Stammland des
Schwurgerichts bezeichnet, so hat man hierzu ein Recht, gleich-
viel ob die Jury vor Jahrhunderten im britischen Reiche selbst
entstanden oder aus der Normandie nach England eingeführt
worden ist. Seit über 700 Jahren finden wir das Institut auf
englischem Boden. Es ist mit diesem völlig verwachsen und dem
Volke durch seine Jahrhunderte lange Geschichte derartig vertrant
geworden, daß sich die englische Nation ohne Geschworenenge-
richt kaum denken läßt. Um dies im vollen Maße zu begreifen.
muß allerdings die Rolle berücksichtigt werden, die das Schwur-
gericht in England zum Unterschiede von festländischen Verhält-
nissen spielt. Während wir nur ein erkennendes Schwurgericht
für die schwersten Strafsachen haben, steht die Jury in England
tatsächlich im Mittelpunkte des gesamten Rechtslebens. Es gibt
dort nicht. nur ein Geschworenengericht auch in Zivilsachen, son-
dern außer der urteilenden, der sogenannten kleinen Jury, noch
eine Anklage- oder große Jury. Dazu kommt, daß grundsätzlich
alle erstinstanzlichen Strafgerichte Englands mit Geschworenen
besetzt sind. Nur für die leichtesten Delikte besteht das sum-
marische Verfahren ohne Jury. Außer diesen beiden Hauptformen
der Jury gibt es aber noch eine ganze Reihe besonderer Ge-
schworenenbanken, die für gewisse Ausnahmefälle ad hoc bestellt
werden. Von diesen Nebenformen der Jury soll als wichtigste
hier nur die Jury des Coroners später Erwähnung finden. Im
übrigen wird sich die folgende Darstellung auf die strafrechtlichen
Geschworenengerichte beschränken, zumal in bürgerlichen Rechts-
streitigkeiten die Taienjustiz nur von geringer Bedeutung ist.