Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

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Zeugen jederzeit ins Wort fallen. Im großen und ganzen aber 
ist seine Rolle eine recht passive. Um so mehr tritt er in den 
Vordergrund bei der sogenannten Rechtsbelehrung nach Schluß 
der Beweisaufnahme. Es ist über diese Rechtsbelehrung des eng- 
lischen Richters schon unendlich viel geschrieben worden und sie 
bildet in der Tat einen der schwierigsten und angreifbarsten 
Punkte des dortigen Verfahrens. Der Vorsitzende hat in England 
nicht nur wie bei uns die Geschworenen auf die rechtlichen Ge- 
sichtspunkte aufmerksam zu machen, die bei der Beantwortung 
der Fragen auftauchen. Er hat ihnen nicht nur die gesetzlichen 
Vorschriften zu erklären. Es ist vielmehr seine Aufgabe, ein 
vollkommenes Resumee des Falles zu geben, die aufgenommenen 
Beweise eingehend zu würdigen und das Beweisrecht der engli- 
schen Praxis darzustellen und zu erläutern. Man sieht, daß auf 
diese Weise der englische Richter einen außerordentlich großen 
Einfluß auf das Zustandekommen des Wahrspruches haben muß. 
Es ist ihm zwar theoretisch nicht gestattet, seine Meinung über 
die Schuld oder die Unschuld des Angeklagten offen auszuspre- 
chen. Hieran kehrt er sich aber in der Regel nicht. Wenn er 
auch seine persönliche Ansicht in eine hypothetische Form kleidet. 
so geschieht dies doch in einer Weise, aus der die Geschworenen 
vollkommen deutlich ersehen können, wie der Vorsitzende denkt. 
Ja, es kommt auch nicht selten vor, daß der Richter die Ge- 
schworenen geradezu anweist, den Angeklagten freizusprechen 
oder zu verurteilen. Hieran nimmt in England auch kein Mensch 
Anstoß. insbesondere nicht die Geschworenen selbst, die vielmehr 
zufrieden sind, wenn sie von einem so hochstehenden und ge 
lehrten Manne, wie es der Richter ist, auf den rechten Weg ge- 
wiesen werden. Selten handeln die Geschworenen der Anweisung 
des Präsidenten zuwider. Sie urteilen meistens das nach, was 
er ihnen vorspricht. Wenn der Richter mit dem Wahrspruche 
der Geschworenen unzufrieden ist, oder ihn für unrichtig hält. 
so kann er sie zur nochmaligen Beratung zurückschicken. Bleiben
	        
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