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Mehr als die Pflicht zur Unterlassung amtsschädigender
Aeußerungen läßt sich aus der Dienstpflicht selbst nicht ableiten.
Diese in der Dienstpflicht enthaltene Unterlassungspflicht
aber erstreckt sich nicht nur auf die Tätigkeit des Beamten im
Amte, sondern auch auf die außeramtliche Tätigkeit, insbe-
sondere auf sein politisches Auftreten und hier er-
öffnet sich nun das eigentliche Feld der Kollisionsmöglichkeiten.
Das Beamtengesetz entzieht dem Beamten keines seiner poli-
tischen Rechte, weder in bezug auf das Reich noch in bezug auf
den bayerischen Staat. Von einer einzigen Ausnahme abgesehen
hat aber als Regel zu gelten, daß der Beamte auch bei Aus-
übung seiner politischen Rechte seine Dienstpflicht vor allem zu
berücksichtigen hat. Diese Pflicht stellt ihn in ein engeres Ver-
hältnis zum Staat als sein Staatsbürgertum, sie geht deshalb den
Bürgerpflichten, die er durch Ausübung seiner politischen Rechte
zu erfüllen gedenkt, vor. Die einzige Ausnahme ist das Wahl-
recht und zwar sowohl nach der aktiven wie nach der passiven
Seite. Die Ausübung seines Wahlrechts als Wähler und die An-
nahme der auf ihn gefallenen Wahl zu Reichstag oder Landtag
kann ihm unter Berufung auf die Dienstpflicht nicht versagt
werden®. Im Zusammenhang damit genießt er auch als Mit-
glied des Reichstags oder Landtags mit allen übrigen Mitgliedern
dieser Versammlungen das freie Recht der Abstimmung ” und den
Schutz der in Ausübung seines Berufes als Mitglied der Versamm-
lung selbst getanen Aeußerungen !. Hier handelt es sich um
subjektive Rechte, die durch besondere Normen verliehen und ge-
schützt sind.
® Vgl. hierüber das Nähere unten S. 27 ff., wo von den verbotenen
Nebengeschäften die Rede ist.
® Reichstagswahlgesetz vom 31. Mai 1869 $ 10 und Wahlreglement vom
22. Mai 1870/28. April 1903 $ 11. Bayerisches Landtagswahlgesetz vom 9. April
1906 Art. 14 Abs. 1 und Art. 30 Abs. II.
# Reichsverfassung Art. 30, bayer. VerfUrk. Tit. VII $ 27, Reichsstraf-
gesetzbuch 8 11. Vgl. auch M. ReınuL 2.2.0. S.70, N. 5.