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behandeln, sich aber die Erörterung der neutralisierten Gebietsteile für
eine besondere Arbeit vorbehalten. Diese weitere Schrift wäre, zumal
der Autor seine wissenschaftliche Befähigung durch das vorliegende
Buch nachgewiesen hat, um so mehr zu begrüßen, als die Frage
der neutralisierten Gebietsteile in einem gewissen Grade mit der Rüstungs-
frage zusammenhängt. Die Staaten haben wiederholt Grenzen neutralisiert,
um dort ihre Truppen zurückzuziehen, also insgesamt ihre gegenseitigen
Rüstungen in einem gewissen Grade herabsetzen zu können, so in dem
apanisch-marokkanischen Vertrage vom 5. März 1894, in dem französisch-
englischen Vertrage vom 15. Januar 1896, vor allem aber in dem Vertrage
zu Adrianopel 1829, in dem Pariser Vertrage von 1856 (Neutralisierung des
Schwarzen Meeres) und in dem Vertrage zu Stockholm von 1905 über eine
neutrale Zone zwischen Schweden und Norwegen. Dieser letztere Vertrag
ist ungemein interessant. Er weist gegenüber dem bekannten argentinisch-
chilenischen Rüstungsabkommen von 1902 bzw. 1903 den Fortschritt auf,
daß alle Streitigkeiten aus der Auslegung des Vertrages ohne Ausnahme
schiederichterlich erledigt werden müssen. Der berühmte Rush-Bagotver-
trag von 1817 über die Verminderung der Flotten in den kanadischen
Seen brachte zwar keine Neutralisierung, aber doch einen Rechtszustand,
der einer Neutralisierung nicht unähnlich sah. Alle diese Verträge sind
sehr interessant und völkerrechtlich noch nicht eingehend erörtert worden!.
Die Neutralisation ist nach R. ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen
dem zu neutralisierenden Staate einerseits und einer Anzahl anderer Staaten
andererseits, der die dauernde Neutralität des betreffenden Staates fest-
setzen soll. Daß sich unter den anderen vertragschließenden Staaten auch
die interessierten Großmächte befinden und der neutralisierte Staat lebens-
fähig sein muß, ist keine rechtliche Voraussetzung, sondern nur für die
praktische Bedeutung des Vertrages von Wert. Die dauernde Neutralität
verpflichtet den neutralisierten Staat zu einer unparteiischen Politik und
zur Vermeidung von Handlungen, die zu kriegerischen Verwicklungen füh-
ren können, die anderen Vertragschließenden zur Achtung dieses Zustandes.
R. weist sodann unter Berufung auf HAGERUP nach, daß die einseitig von
einem Staate erklärte Neutralisation keine juristische Einrichtung ist, son-
dern nur als jederzeit widerrufliche Staatsmaxime gewertet werden kann.
Die Neutralisation kann nur vertraglich begründet werden. Der Wirkungs-
! Ich werde in der SchückInGschen Sammlung „Das Werk vom Haag“
ein seit Jahren vorbereitetes Buch über die Rüstungsfrage veröffentlichen,
sobald die Kommission der Interparlamentarischen Union ihre Arbeiten
über diese Frage beendet hat. Vgl. aber auch mein 1914 der Interparla-
mentarischen Union erstattetes Gutachten: „la limitation des annements.
releve des projets emis pour la solution du probl&me, precede d'une intro-
duction historique, 100 S.