Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

— 232 — 
polizeistaatliche Maßregeln, wie z. B. die vom Verf. unbeachtet gelassene 
Anzeigepflicht der Juden für den Fall, daß ihnen gestohlene Sachen zum 
Kauf angeboten wurden. 
Im Gegensatz zur Rechtsgeschichte der preußischen Juden im 18. Jahr- 
hundert, deren staatswissenschaftliches Interesse wesentlich gegeben ist in 
den Beiträgen zur Charakteristik des Polizeistaats überhaupt, ist diejenige 
der Folgezeit von Interesse besonders für die Entwicklungsgeschichte de. 
preußischen Staatslebens. Wichtig ist hier schon, daß der eigentliche Aus- 
gangspunkt der Reformen gegeben ist mit demselben Datum, mit dem 
überhaupt die Reform des preußischen Staatswesens beginnt: mit dem 
Jahre 1806. Die Humanitäts- und Freiheitsideale, aus denen die Wieder- 
geburt Preußens erfolgte, gaben auch die gedanklichen Grundlagen für die 
Emanzipation der Juden. SCHRÖTTER, von dem der erste Reformentwurf 
ausging, gehörte zu dem geistigen Kreise Steins, der selbst an ihm die 
„Empfänglichkeit für liberale und größere Verwaltungsgrundsätze* rühmt. 
Nicht unwahrscheinlich ist daher, daß, wie FREUND nachzuweisen versucht. 
auch auf diesem speziellen Gebiete die Initiative zu den Reformen nicht 
vom Könige ausging. Andererseits sind es die leitenden Ideen der geistı- 
gen Führer der Nation, deren Niederschläge wir in allen Reformplänen 
auch im Kleinsten bemerken. So wendet sich HUMBOLDT gegen die in deu 
SCHRÖTTERschen Entwurf vorgesehene Verpflichtung des Bartscheerens der 
Juden, weil jedermann in diesen Dingen Freiheit haben müsse, solange er 
den Anstand nicht verletze. Der Humanitätsgedanke der Zeit ließ ihn die 
detaillierte Aufführung der den Juden einzuräumenden Rechte für verfehlt 
und es für notwendig halten, ihre prinzipielle Gleichstellung mit den Chri- 
sten zur Grundlage zu machen, sie auch — eine rein menschliche Er- 
wägung -— unter allen Umständen davor zu bewahren, daß sie sich als 
Juden ausweisen müßten. Besonders typisch aber ist sein Einwand gegen 
eine härtere Bestrafung der Jüdischen Deserteure: „Daß sie nicht hänfig seı. 
dafür werden der Spott und die Vorwürfe der Christen sorgen. Geschähen 
indes auch wirklich ein paar Desertionsfälle mehr: muß denn der Staat 
jeder einzelnen Kontravention so ängstlich vorbeugen?* Ebenso praktisch 
politisch wie humanitär gedacht ist die entschiedene Stellung HUMBOLDT: 
für die Vollgültigkeit des jüdischen Eides „als Fundament jeder irgend 
erträglichen Gesetzgebung über die Juden und für die unerläßliche Be- 
dingung jeder Reform dieser Nation“, und besonders interessant dabei die 
Berücksichtigung des Selbstverwaltungsgedankens in der Erwähnung der 
Zusammenarbeit von Juden und Christen in den städtischen Versamınlungen. 
Am stärksten aber tritt diese Verbindung klarer realpolitischer Er- 
wägungen mit den höchsten humanitären Ideen hervor in den Ausführungen 
HUMBoLDTs, mit denen er sich gegen einen weiteren Ausbau der jüdischen 
Kirchen wendet: „Denn. wenn man diesen unterläßt, werden die Individuen 
gewahr werden, daß sie nur ein Zeremonialgesetz und eigentlich keine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.