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betreffen: das eine wesentlich in materiellen, das andere in rein ideellen
Fragen. Das erste ist die staatlich geregelte und unterstützte Arbeitslosen-
versicherung, die das dänische Recht ausgebildet hat, obwohl es auf an-
deren Gebieten des Sozialrechts, z. B. der Arbeiterversicherung weit hinter
dem großartigen Bau unserer Gesetzgebung zurück ist, und die es somit
als eine Forderung sozialer Gerechtigkeit allerersten Ranges anerkannt
bat. Das andere ist die Einrichtung des Staatskirchentums, das trotz der
weitgehenden Duldung anderer Konfessionen als der lutherischen, doch eine
starke Einschränkung der politischen und religiösen Freiheit bedeutet.
Denn es beschränkt einerseits gerade die Masse des Volkes, die der Lan-
deskirche angehört, in der Freiheit ihres religiösen Lebens, da in der Lan-
deskirche nur erst vor kurzem (1912) den Gemeinden ein Selbstverwaltungs-
recht und dazu noch von geringem Umfang gegeben ist; es beschränkt
andererseits direkt die politischen Rechte, indirekt die Religionsfreibeit
der Thronanwärter, indem es ihre durch den Tod des bisherigen Königs
entstehenden Ansprüche auf die staatliche Organstellung als König bedingt
durch ihre Zugehörigkeit zur lutherischen Konfession.
Beinahe das anziehendste an der ganzen Darstellung des dänischen
Staatsrechts sind die beiden letzten Abschnitte über Island und die Kolo-
nien. Island mit seiner auf dem Streben nach politisch-rechtlicher Freiheit
gekennzeichneten Verfassungsgeschichte und seinem eigenen Staats- und
Verwaltungsrecht stellt der Staatsrechtswissenschaft die Frage nach seiner
rechtlichen Natur (Staat in Realunion mit Dänemark, Nebenland oder Pro-
vinz?), eine rein theoretische Frage, auf die die Verf. von ihrem Stand-
punkte mit Recht keinen Wert legten. Für die allgemeine Staatslebre
höchst interessant ist das Nebenland Grönland, in dem „Dänemark — einzig
unter allen Staaten — ein Naturvolk durch Absperrung von der Umwelt
bewahrt“ hat, ohne, den Aufgaben des modernen Kulturstaates getreu.
es von der Kultur des Heimatlandes ganz auszuschließen; diese Kultur
hat Grönland auf staatsrechtlichem Gebiete, für die Ortsgemeinden we-
nigstens, sogar eine Selbstverwaltung gegeben, ist aber in wirtschaft-
licher Beziehung gebunden durch die Monopolisierung des Handels, dessen
dem Staat zufallende Gewinnste freilich nur zugunsten der eingebo-
renen Bevölkerung verwendet werden. Endlich das Recht der westindischen
Kolonien könnte einer rechtsvergleichenden Betrachtung des Kolonialrecht:
mancherlei bieten, wie z. B. die recht ausgeprägte Selbstverwaltung, die
Gewährung der bürgerlichen Rechte in gleichem Umfange wie nach dem
Grundgesetz u. dergl. mehr. Leider ist es nicht möglich, Näheres über da
Interessante aus dem Inhalt der beiden letzten Abschnitte (Island und die
Kolonien) hier zu sagen — man müßte sonst alles, was die Verf. selbst
bringen, wiederholen. Wolzendorff.