Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

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schaftlich im allgemeinen noch als ketserisch gilt ®, obwohl kein geringerer 
als G. JELLINBK sich zu ihr bekannt hat. i 
Wie wir für die staaterechtlichen Gesetze und ihre Technik einerseits 
und für die staatsrechtliche Auffassung und ihre Wirkung in der Rechtsan- 
wendung andererseits dem hessischen Staaterecht anschauliche Beispiele 
für die Bedeutung der geschichtlichen Entwicklung uud Zusammenhänge 
entnommen haben, so zeigt sich diese auch für die im Hintergrunde der 
Gesetze wirkenden politischen Triebkräfte. Nur zwei Beispiele: charak- 
teristisch für das Zeitalter der Restauration ist die im Jahre 1824 unter 
dem Namen der „Sicherheitswache“ erfolgte Errichtung von Bürgerwehren, 
eine Institution, in der man damals ein Wundermittel gegen Staatsstreiche 
von oben und unten sah, wie man denn auch in Preußen 1848 zu diesem 
Mittel griff; unter dem Eindruck der Revolutionen wurde durch Gesetz 
vom 31. Juli 1848 eine sehr weitgehende Beteiligung des Volkes an der 
staatlichen Verwaltung und der Verwaltungsrechtsprechung eingeführt und 
in der Reaktion schon 1852/53 wesentlich wieder eingeschränkt. 
Die Inbeziehungsetzung der positivrechtlichen Vorschriften des Landes- 
staatsrechts zu den Normen des gemeinen deutschen Staatsrechtse, in der 
das wissenschaftliche Interesse der Bearbeitung der einzelstaatlichen Öffent- 
liehen Kechte liegt, und auf die Verf. auch bei der Behandlung des Staate- 
rechte i. e. Sinne stets bedacht gewesen ist, hat er bei derjenigen des Ver- 
waltungsrechts hinter dem praktischen Interesse an möglichster Vollstän- 
digkeit zurücktreten lassen. Man wird zweifeln können, ob dies dem 
Zwecke des „Handbuchs® entsprach. Sicher ist ee vom wissenschaftlichen 
Standpunkt aus zu bedauern. Vielleicht wäre aber auch der Praxis mit einer 
Beschränkung auf grundlegende Erörterungen, für die dann mehr Raum 
  
? So wurde ich von vielen Seiten angegriffen, als ich im Jahre 1906 
(Grenzen der Polizeigewalt II) die Beschränkung der Polizeigewalt im Sinne 
des $ 10 II. 17 ALR. im preußischen Recht nur mit dieser Wirkung der 
Bechtsüberzeugung erklärbar bezeichnete. Und doch ist die Tatsache, für 
die ich damals die Beweise erbrachte und für die Rosın unwiderlegliches 
Material beigebracht hat, daß nämlich bis weit in die zweite Hälfte des 
19. Jahrhunderts der $ 10 II. 17 als Recht zum mindesten nicht gegol- 
ten hat, heute allgemein anerkannt, während es zweifellos ist, daß die in 
jenem Paragraphen enthaltene Begrenzung der Polizeigewalt seit Jahr- 
zehnten wieder geltendes Recht ist. Ich sehe auch heute noch nicht ein, 
wie man diese Erscheinung, ohne den Tatsachen Zwang anzutun, anders 
erklären kann, als damit, daß das Oberverwaltungsgericht, als es seinen, 
später auch vom Kammergericht befolgten Gerichtegebrauch aufnahm, einer 
geänderten Rechtsüberzeugung folgte, für die der $ 10 II. 17 ALR. (wenig- 
stens als ununterbrochen, auf Grund des kodifikatorischen Aktes von 1794, 
in Geltung gedacht) nur die juristische Draperie war. 
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIII. 1/2. ah
	        
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