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entant que rögle sociale! Diese Art von „Gesetzen“ hat D. be-
reits früher ? als „lois normatives“ bezeichnet, denen er die von ihm soge-
nannten „lois constructives“ gegenüberstellt.e. Hat er unter der „loi nor-
mative* verstanden „une discipline de fait que l'interdependance sociale
impose & tous les membres du groupe* so ist die „loi vonstructive* die
Sanktion, die der Gesetzgeber der „loi normative“ verleiht. Alle Gesetze,
die öffentliche Dienste einrichteten, seien daher „lois constructives*. Irgend
eine praktische Folge leitet Ducusıt jedoch aus dieser Unterscheidung
nicht ab (er selbst ist sogar (S. 81) bereit, auf den Begriff der „loi nor-
mative* zu verzichten), die aber gleichwohl hier nicht unerwähnt bleiben
durfte, schon um dessentwillen nicht, weil es notwendig erschien, das
Hereintragen supra- oder besser: extra-juristischer Begriffe auf das Öffent-
liche Recht (denn etwas anderes ist die Proklamierung der „loi norma-
tive* mit ihrer oben wiedergegebenen Begriffsbestimmung nicht) deutlich
hervortreten zu lassen. — Die von ihm betonte Feststellung, daß auch
dem Staate eingegliederte Wesen Normen setzen dürften, die für sie bin-
dende Kraft hätten, führt DucvırT dazu, de lege ferenda zu verlangen, daß
auch Gesetze im, wie wir sagen, formellen Sinne im Verwaltungs
streitverfahren angefochten werden können, eine Forderung, die als anar-
chistisch bezeichnet werden muß, und die erinnert an die s. Zt. in Bd. I
seiner Traite de droit constitutionnel wenn auch mit einiger Vorsicht auf-
gestellte Behauptung, nur dann müsse man einem Gesetze gehorchen, wenn
dieses der (dort näher umschriebenen) regle de droit conform sei. Zu-
nächst will DUGUIT freilich nur in einem Falle die von ihm (S. 91) ge-
nerell ausgesprochene Folgerung gezogen wissen: nämlich dann, wenn die
Legislative ein Gesetz beschließt, das der Konstitution zuwiderlaufe. Und
hier sollte man denn — auch wenn man theoretische Bedenken haben
mag — in der Tat nicht davor zurückscheuen, den ordentlichen Gerichten
oder Sondergerichten, die, im Gegensatz zu den Parteischwankungen und
Zufälligkeiten unterworfenen Parlamenten, größere Objektivität gewähr-
leisten, das Recht selbst zur Annullierung erlassener, aber mit der Kon-
stitution im Widerspruch stehender Gesetze zuzuerkennen, wie denn
heute schon mit Recht die Prüfung der Rechtsgültigkeit und der Einwand
mangelnder Verfassungsmäßigkeit von Theorie und Praxis mehr und mehr
anerkannt wird. Nur so viel über die Kapitel III und IV, die von den Ge-
setzen handeln, daneben aber auch die neueste, aber nicht befriedigendere
Definition enthalten, die Dusvıt vom Staate formuliert: Denn war ihm
dieser bisher eine Beziehung zwischen Herrschenden und Beherrschten —
eine Begriffsbestimmung, die der Verfasser, soviel ich sehe, nirgends auf-
gegeben hat, so ist ihm der Staat im Sinne seines neuesten Buches zu
® L’Etat, le droit objectit et la loi positive 1901, S. 551 fl.