Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

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Daß im übrigen solche Streitigkeiten nie und nimmer als Gegenstand 
schiedsgerichtlichen Austrags angesehen werden können, bei denen es sich 
am reine Machtfragen handelt, hebt L. zutreffend hervor. Von ganz be- 
sonderem Interesse ist es, daß sich LAMMASCH, wie schon e. Zt. als Dele- 
gierter Oesterreich-Ungarns auf der 2.? Haager Konferenz, gegen die — 
leider vor wenigen Wochen erst wieder vom Ministerialdirektor KRIEGE 
als Vertreter des Auswärtigen Amtes im Reichstag vorgebrachte — falsche 
Auffassung der damaligen deutschen Vertreter von MARSCHALL und eben 
KRIEGES wendet, die dahin ging, ein obligatorischer W eltschiedsgerichts- 
vertrag mit Ehrenklausel sei wertlos, da er (das hat auch eben wieder 
KRIEGE gesagt) das „tu dois“ durch ein „si tu veux“ einschränke. Was 
LAMMASCH dem entgegenhält, muß man Wort für Wort unterschreiben. 
Jene trefflichen Sätze in ihrem vollen Text wiederzugeben, kann ich mir 
um 80 weniger versagen, als die Frage mit zu den wichtigsten der Schieds- 
gerichtsbarkeit überhaupt gehört und sicher auf dem Programm der 38. 
Haager Konferenz wieder erscheinen wird. 
„Diese Formel schränkt keineswegs das „tu dois* durch ein „si tu 
veux* ein, wie MARSCHALL in bezug auf den die Schiedsgerichte betreffen- 
den Antrag ausführte. Ob der Fall die Ehre oder die Lebensinteressen be- 
rühre, darf eben nicht nach Willkür beurteilt werden. Der Einwand darf 
nicht zum Vorwand mißbraucht werden, da ein Schiedsgerichtsvertrag, wie 
jeder andere Staatsvertrag, bona fide ausgeführt werden muß. 
Zudem wird kein Staat, der auf seine Ehre und auf seine Geltung im 
internationalen Verkehr etwas hält, geneigt sein, seine Ehre als allzu ge- 
brechlich und seine Lebensinteressen als allzu leicht gefährdet hinzustellen. 
Er würde sich dadurch nur selbst ein Zeugnis seiner Schwäche ausstellen. 
Schikanöse, unbegründete Berufung auf die Ausnahmen ist also aus diesem 
Grunde nicht wahrscheinlich. Sie wäre aber auch ein Bruch des Vertrages. 
Freilich ist es richtig, daß MARSCHALL jene Einwendung nur gegen die 
Aufnahme der allgemeinen Klausel in einen Weltschiedsgerichtvertrag vor- 
brachte. Aber es ist doch klar, daß der verpflichtende Charakter einer 
Vertrages nicht durch die Zahl der Kontrahenten berührt wird. Begründet 
die in Rede stehende Formel im deutsch-englischen Vertrag eine Rechts- 
pflicht, so muß sie doch auch in einem Kollektivvertrag eine solche be- 
swründen. „Les Puissances conviennent“ bedeutet hier wie dort, daß die 
Staaten eine Konvention, einen Vertrag, miteinander abschließen und so- 
mit rechtliche Verpflichtungen gegeneinander übernehmen. Ebenso war es 
vollkommen willkürlich, wenn MARSCHALL behauptete, daß für einen Welt- 
vertrag die Begriffe der question d’ordre juridique sowie die der Lebens- 
intereseen oder der Ehre zu vag seien. Diese Begriffe bedeuten im Welt- 
vertrage nichts anderes als im Vertrage zwischen dem Deutschen Reiche 
° Er war Delegierter auf beiden Konferenzen. 
Archiv des öffentlichen Rechts. XAXXILL. 142. 22
	        
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