— 346 —
Dr. Max Ludwig Müller, Privatdozent an der Universität Tübingen, Die
Bedeutung des Kausalzusammenhanges im Straf- und
Schadensersatzrecht. Tübingen 1912. Verlag von J. C. B.
Mohr (Paul Siebeck). 141 S.
Jede Kausaltheorie stützt sich nach MÜLLER im letzten Grunde darauf.
daß nur sie zu vernünftigen Rechtswirkungen führe. MÜLLER betont nun
mit Recht, es sei nicht davon auszugehen, das Tatbestandsmerkmal des
Kausalzusammenhanges müsse allein, sondern davon, es müsse in Verbin-
dung mit den übrigen Tatbestandsmomenten eine Rechtswirkung zureichend
erklären. Er sucht in seiner Arbeit nachzuweisen, daß bei richtiger Fest-
legung dieser übrigen Momente die Bedingungstheorie zu den logisch und
praktisch am meisten befriedigenden Ergebnissen führe, ob nun die haf-
tungbegründende oder die haftungauslösende Rolle des ursächlichen Zu-
sammenhanges in Frage komme,
Bei der Besprechung der ersten schlägt MOLLER eine Brücke von der
Adäquanz- zur Bedingungstheorie durch folgende Erwägung: Objektiv-
rechtsnormwidrig ist nur ein Verhalten, das den in einer Norm ge-
setzten Zweck vom Standpunkt objektiver Prognose in beachtlicher Weise
geführdet (S. 42. Schuldhaft im technischen Sinn kann nur ein
Verhalten sein, welches diesen Zweck vom Standpunkt objektiver wie auch
subjektiver Prognose geführdet (8. 43). Unter anderem kommt er hiebei
zu folgendem Ergebnis: „Wenn zum Verschulden und also auch zum Vor-
satz die subjektive Erkennbarkeit oder Kenntnis der Umstände gehört,
welche das Verhalten zu einem objektiv rechtsnormwidrigen stempeln, und
wenn objektiv rechtenormwidrig nur ein solches Verhalten sein kann,
welches den in einer Norm gesetzten Zweck vom Standpunkt objektiver
Prognose objektiv gefährdet, so ist damit bewiesen, daß auch der An-
hänger der Bedingungstheorie zur vorsätzlichen Verursachung des verpön-
ten Erfolges die subjektive Erkenntnis des Täters fordern muß, daß sein
Verhalten die objektive Möglichkeit eines Erfolges der verpönten Art
vom Standpunkt objektiver Prognose erhöht“ (S. 53).
Dieses Ergebnis scheint mir weder schlüssig noch haltbar. Der Täter
könnte die geforderte subjektive Erkenntnis, daß sein Verhalten
vom Standpunkt objektiver Prognose die objektive Erfolgsmög-
lichkeit erhöht, nur dadurch erlangen, daß er — das Subjekt — selht
die objektive Prognose stellt. Vielleicht klärt MOLLER diesen Wider-
spruch auf, wenn er die Bedenken des näheren untersucht haben wird, die
er in einem kurzen Nachtrag gegen seine eigene Begriffsbestimmung der
objektiven Rechtswidrigkeit geltend macht. Möglicherweise hat sich MOLLERB
bloß im Ausdruck vergriffen.
Im übrigen enthält die Schrift eine Reihe der wertvollsten Anre-
gungen.
Bamberg. Ferdinand Stauffer.