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das größere Uebel sei. Es war aber auch verfehlt, wenn BEER-
NAERT davon ausging und sich dagegen wehrte, daß der be-
siegte Staat Rechte gegen sich selbst zugestehen solle.
ALBERT ZORN bemerkt durchaus richtig: „Das Recht zu seinem
Vorgehen erwächst dem siegenden Stast aus sich und seiner Kraft,
nicht aus einer „‚Konzession‘ des Besiegten“'. Die Landkriegs-
ordnung oder die Gesamtheit der Haager Konferenzmächte fand
sich mit dieser Tatsache nur ab, und zwar ohne Rücksicht dar-
auf, wer von den Vertragsstaaten später durch diesen Rechtssatz
etwa getroffen werden würde. Das ist ja gerade das Wesen des
Rechts, daß im voraus ein objektiver Maßstab gewonnen wird, an
dem gegebenenfalls alle einheitlich gemessen werden können. Die
BEERNAERTsche Politik würde dahin führen, daß die Mitglieder der
Parlamente bei Gesetzesprojekten ihre Zustimmung mit dem Ein-
wand versagen, die Anwendung des Gesetzes könne ihren Privat-
interessen später einmal im Wege stehen und es solle dann nicht
heißen, sie hätten das ja selbst so gewollt. Ein Strafgesetzbuch
käme dann wohl überhaupt nicht mehr zustande.
2. Was den zweiten Antrag von BEERNAERT betrifft, der
darauf ging, kein Recht, sondenm nur Rechtsschranken
zu schaffen, so konnte die Konferenz ruhig das letztere
zusagen.
Aber dieses Verhalten, sowie die kleinen Zugeständnisse in
der Fassung ’, und der unzureichende Deckmantel der MARTENS-
schen Klausel ®, können die Wahrheit nicht verschleiern, daß die
durch das Recht beschränkte Macht eben eine Rechtsmacht, daß
° Das Kriegsrecht zu Lunde 1906, S. 211.
? Die Bedingungsform in den Art. 48, 49 und das „nur“ in den Art. 49,
58, 55.
® Diein der Einleitung des Landkriegsabkommens eingestellte MARTENS-
sche Klausel besagt, daß die Lücken der Landkriegsordnung durch die
ungeschriebenen Sätze des Völkerrechts ausgefüllt werden sollen. In
unserer Frage handelt es sich aber nicht um Lücken des positiven Rechts,
sondern nur um seine juristische Natur und Konstruktion.