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Regierung auf der Brüsseler Konferenz, auch eine „occupation
fietive* zuzulassen, wurde nicht entsprochen. Auch für eine Prä-
sumtiv-Okkupation ist kein Platz.
Ein Gebiet gilt nach Art. 42 nur als besetzt (occupe), wenn
es sich tatsächlich in der Gewalt des feindlichen Heeres befindet,
und zwar soweit diese Gewalt hergestellt ist und ausgeübt
werden kann.
Die Versuche der Brüsseler und der 1. Haager Friedenskonferenz,
festzustellen, wann dieser Zustand anzunehmen sei, erwiesen sich
allerdings samt und sonders als aussichtslos !?. Eine Feststellung,
die alle Fälle umschließt, ist einfach unmöglich”. Man wird mit
A. ZORN'? sagen dürfen, daß die Definition der Landkriegsord-
nung, welche sich auf die — äußerlich außerdem unmittelbar er-
kennbare — tatsächliche Herrschaft der Okkupanten stützt, vor-
läufig als die beste bezeichnet werden kann.
Es muß nur noch folgendes beachtet werden: Wie die legi-
time Staatsgewalt sich auch auf die Hoheitsgewässer des Staats-
gebiets erstreckt, so werden auch die Binnen- und Küstengewässer
des besetzten Staatsgebiets in den Herrschaftsbereich des Beset-
zenden hereingezogen °°.
Ob und wieweit ein Gebiet als besetzt oder als Herrschafts-
gebiet angesehen werden kann, ist keine Rechts-, sondern eine
Tatfrage !°.
12 So legten z. B. v. SCHWARZHOFF und GILINSKY den Schwerpunkt
auf die Sicherung der rückläufigen Verbindungslinien, RoLıv auf das Ver-
drängen der gesetzlichen Autoritäten; aber selbst zugegeben, daß hiermit
das Wesen getroffen ist: wann ist das eine oder andere anzunehmen?
ı® Darauf kommen auch die Ausführungen von A. ZORN hinaus, Das
Kriegsrecht zu Land, S. 213 ff.
14 5, 222.
15 Die Wirkungen dieses Rechtssatzes für „die Schiffe vor Antwerpen“
hat J. KOHLER in der Deutschen Juristenzeitung, 1. Nov. 1914, S. 1225 fi.
entwickelt.
18 BLUNTSCHLI, Das moderne Völkerrecht S. 544, STRUPP, Intern. Land-
kriegsrecht, S. 97.