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Empfindungen, die vor dem juristischen Denken in keiner Weise
Stand halten können, respektvoll entgegen und verzichtete auf
eine ausdrückliche Feststellung der Suspensionsfolge, die, wie
sich im jetzigen Krieg gezeigt hat, für die volle Aufklärung der
Bevölkerung höchst wünschenswert gewesen wäre. Die Suspen-
sionswirkung der Besetzung stand für alle Konferenzmitglieder
fest. Ein Zweifel kann auch um so weniger bestehen, als die
positive Formulierung der Besetzungsfolge die erwähnte negative
Wirkung zur notwendigen Voraussetzung hat. Der Art. 43 be-
stimmt nämlich die Besetzungsfolge dahin, daß |
„die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die Hände
des Besetzenden übergegangen ist“.
Damit ist die Rechtsstellung der vom Feind besetzten Ge-
biete mit genügender Klarheit umschrieben. Schon 1870 haben
die Deutschen dieser Rechtsanschauung Ausdruck gegeben.
Als der König von Preußen als Oberbefehlshaber der deut-
schen Heere durch Kabinetsordre vom 14. und 21. August 1870
das Generalgouvernement von Elsaß gebildet hatte, erließ der
zum’ Generalgouverneur ernannte Graf VON BISMARCK-BOHLEN am
30. August 1870 eine Proklamation, die folgendermaßen anhebt:
„Bewohner des Elsasses! Nachdem die kriegerischen Ereignisse die
Okkupation eines Teiles von Frankreich durch die hohen verbündeten
deutschen Mächte herbeigeführt haben, ist die kaiserlich fran-
zösische Staatsgewaltin diesemGebiete außer Wirk-
samkeit gesetzt und die Autorität der deutschen
Mächteanihre Stelle getreten.“
Mit der Suspendierung der alten Staatsgewalt sind auch ohne
weiteres alle Gesetze außer Wirksamkeit getreten, welche die
Funktionen dieser Staatsgewalt regeln. Das übrige öffentliche Recht
und das Privatrecht bleibt in Kraft, kann aber, wie sich bald
zeigen wird, wenn sonst der Verwaltung zwingende Hindernisse
entstehen würden, durch den besetzenden Staat aufgehoben und
geändert werden *.
3 Die amerikanischen Kriegsartikel (Art. 3) ließen umgekehrt alle