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nur ein Kampf mit dem feindlichen Staat, nicht mehr mit den
friedlichen Bürgern; und neben dem Kriegszweck wirkt als zwei-
ter gestaltender Faktor des Kriegsrechts die Humanität. Die Ein-
wohner sind nicht nur durch die Artikel 44—47 in ihren Grund-
rechten geschützt, sondern an der Spitze der neuen besetzungs-
rechtlichen Bestimmungen steht jetzt auch der Satz, daß der
Besetzende
„alle von ihm abhängenden Vorkehrungen zu treffeu hat,
um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffent-
liche Leben wieder herzustellen‘. (Art. 43.)
Der Generalgouverneur in Belgien, Frh. VON DER GOLTZ,
erließ demgemäß nach seinem Amtsantritt in Brüssel am 2. Sept.
1914 eine Proklamation, in welcher es nach der Einleitung heißt:
Die deutschen Heere dringen siegreich in Frankreich vor. Hier im
belgischen Gebiete Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten ist die Auf-
gabe des Generalgouvernements.
Jede feindselige Hundlung der Einwohnerschaft gegen Angehörige
des deutschen Heeres, jeder Versuch, ihren Verkehr mit der Heimat zu
stören, Eisenbahnen, Telegraphen, Fernsprechverbindungen zu geführden
oder gar zu unterbrechen, wird unnachsichtlich geahndet werden. Aufruhr
oder Widerstand gegen die deutsche Verwaltung haben rücksichtslose
Niederwerfung zu gewärtigen.
Die harte Notwendigkeit des Krieges bringt es mit sich, daß bei Be-
strafung feindseliger Handlungen Unschuldige mit den Schuldigen leiden.
Um so mehr ist es Pflicht aller verständig denkenden Bewohner Belgiens,
die unruhigen Elemente im Lande von jeder Ausschreitung gegen die
öffentliche Ordnung abzuhalten. — Kein belgischer Bürger, der friedfertig
seinem Erwerbe nachgeht, bat irgend etwas von seiten der deutschen
Truppen und Behörden zu befürchten. Soweit irgend möglich, sollen
Handel und Wandel wieder aufgenommen, die industriellen Betriebe wie-
der in Gang gebracht und die Einbringung der Ernte vollendet werden.
Belgier!
Von Niemand wird Verleugnung seiner vaterländischen Gesinnung ver-
langt, wohl aber eine vernünftige Fügsamkeit und unbedingter Gehorsam
gegen die Anordnungen des Generalgouvernements. Von Eurem Verhalten,
von dem Vertrauen und dem Maße der Unterstützung, die das Volk, ins-
besondere die im Lande verbliebenen Staats- und Gemeindebeamten, dem