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Londoner Seerechtsdeklaration, die jedoch nach ihrem eigenen Wort-
laut im wesentlichen nur die allgemein anerkannten Grundsätze des
internationalen Rechtes enthält, trotzdem sich ein Order in Council
vom 20. August vorbehaltlich einiger Zusätze und Abänderungen ”'
ausdrücklich zu ihr bekannt hat”?, für England nicht vorhanden,
weshalb denn auch schon die deutsche Reichsregierung in einer
Denkschrift bei den Neutralen Beschwerde geführt hat’®. „Für
die deutsche Regierung“, so heißt es hier am Schluß, „würde es
daher von Wert sein, zu erfahren, welche Stellung die neutralen
Mächte zu dem völkerrechtswidrigen Verhalten Großbritanniens
und Frankreichs einzunehmen gedenken.“
Die Berufung der Engländer und Franzosen auf den Art. 43
ist hinfällig. Man kann nicht verlangen, daß Deutschland das
Interesse einer feindlichen Bevölkerung über sein eigenes stellt, zu-
mal wenn für die letztere bei einsichtigem Verhalten der feind-
lichen Verbündeten gesorgt wäre.
Die deutsche Regierung hatte praktische Vorschläge gemacht.
Das Weitere hängt nicht mehr von ihr, sondern von den Gegen-
vorkehrungen Englands und Frankreichs ab. Auch hatte Deutsch-
land, wenn man überhaupt die Nahrungsversorgung der Bevölkerung
als Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen
Lebens gelten läßt, nach Art. 43 nur „nach Möglichkeit“ diese
Sorge zu betätigen. Leiden aber unsere Kriegszwecke Schaden,
so ist diese Möglichkeit eben nicht gegeben. Und wer die Getreide-
schiffe abfängt und die Zufuhr verhindert, hat am wenigsten das
Recht zur Beschwerde. Wenn die Feinde die Volksernährung
im besetzten Gebiet erschweren oder gar unmöglich machen, so
haben sie das auch zu vertreten.
?t Vgl. in dieser Hinsicht auch die Proklamation v. 21. Sept. 1914.
?* Die deutsche Regierung hat den Inhalt der Londoner Seerechtes-
deklaration in der Prisenordnung v. 80. Sept. 1909 (RG. 1914, 8. 275, aus-
gegeben zu Berlin am 8. August 1914) sinngetreu wiedergegeben und sich
darnach gehalten.
78 Abgedruckt in der Frankfurter Zeitung v. 25. Okt., Nr. 296, Erstes
Morgenblatt.