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nach den ausdrücklichen Erklärungen der Staatsregierung in Mo-
tiven und Ausschußverhandlungen anzunehmen, daß auch die
bayeriche Regierung mit der Bestimmung des Art. 15 diesem.
altehrwürdigen Brauch ihre Anerkennung nicht habe versagen
wollen **.
Wollte eine andere, den Motiven widersprechende Auffassung
in der Praxis geübt, wollten insbesondere auch gutachtliche Ar-
beiten von Hochschullehrern unter diese Regel gesetzt werden,
so bedeutete das nicht einen Schutz des Amtes vor Arbeitsentzieh-
ung, sondern die Wiedereinführung der Zensur für eine be-
stimmte Form wissenschaftlicher Arbeiten, eine Maßnahme, welche
sich nicht nur mit den Grundlagen unserer bestehenden Rechts-
ordnung, sondern wohl auch mit den Grundanschauungen des
weitaus größten Teiles der gebildeten Welt in Widerspruch setzen
würde.
4. Vereinsteilnahme.
Die Teilnahme an Vereinen ist zwar unmittelbar keine
Form der Meinungsäußerung, mittelbar aber bietet sie dazu eine
Fülle besonderer Gelegenheiten, teils indem Vereine Versamm-
lungen halten und Zeitschriften herausgeben, in welchen die Mei-
nungsäußerung der Mitglieder und anderer Personen erleichtert
und zu breiterer Geltung und Wirkung gebracht wird, zum Teil
aber auch deshalb, weil schon die bloße Mitgliedschaft bei einem
Verein eine Meinungskundgebung ist, indem jeder Verein einen
* Die Entschließung des K. Staatsministeriums des Innern für Kirchen
und Schulangelegenheiten vom 18. Januar 1910 Nr. 759, durch welche den
Professoren der Landesuniversitäten die Erstattung außergerichtlicher Gut-
achten allgemein erlaubt wird, vertritt einen anderen grundsätzlichen
Standpunkt, indem sie die Freiheit der Erstattung wissenschaftlicher Gut-
achten nicht schon durch das Gesetz, sondern erst durch ihre Erlaubnis als
gegeben annimmt und demgemiüß unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. III
Schlußsatz den Widerruf vorbehält. Von solchem Widerrufsrecht kann
selbstverständlich nicht die Rede sein, wo gar nichts zu erlauben war.