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uneigentliche Strafen nennen '°, wenn man sich nur der Tatsache
bewußt bleibt, daß die Strafkontributionen die nicht strafrecht-
liche Wiedervergeltung gegen feindselige Handlungen von einzelnen
sind.
Die Haager Konferenz war weiter der einmütigen Ansicht,
daß die Maßregelung einer ganzen Bevölkerung nur bei solchen
Handlungen erfolgen dürfe, welche in der Tat auch die Gesamt-
heit begangen habe, oder für die sie dadurch verantwortlich sei,
daß sie die Handlung begehen ließ. Rechtsgrund des Vorgehens
gegen eine ganze Bevölkerung, so sagte man sich, kann nur die
wenigstens passive Verantwortlichkeit der Ge-
samtheit sein'*®., |
Das wurde deshalb im Art. 50 nicht bloß für die Strafkontri-
butionen, sondern auch für die Strafen aller Arten ausgesprochen:
„Keine Strafe in Geld oder anderer Art darf über eine
ganze Bevölkerung wegen der Handlungen einzelner verhängt
werden, für welche die Bevölkerung nicht als verantwortlich an-
gesehen werden kann“ '®,
Das bedeutet eine bewußte Absage von der an ältere und
neuere landesrechtliche Bestimmungen '° anknüpfenden und auch
noch im deutsch-französischen Krieg von 1870 mit bestem Erfolg
getibten Praxis?*, welche die Gemeinden für die in ihr begangenen
offenen Gewalttätigkeiten ohne weiteres verantwortlich machte.
Men wird die von der Haager Konferenz beschlossene Hu-
manisierung grundsätzlich billigen und nichtsdestoweniger zugeben
können, daß der Grundsatz der rein persönlichen Verantwortung
157 BOURGEOIS redete von einer „p6nalite vexatoire* III. 138.
158 Kommissionsbericht I 61.
159 Der Kommissionsbericht (I. 61) sagt: „pour toute peine, pecuniaire
ou non, que l’on pretend infliger & l’ensemble de la population.“
160 Außer der französischen Gesetzgebung auch deutsche Gesetze aus
dem Jahr 1850 (Preußen, Bayern, Braunschweig). Vgl. E. LOoENING,
S. 88 f., 85.
ı0ı A, a. 0. S. 83 ff., 108.