— 46 —
Es gilt also auch in Preußen zunächst jedenfalls der Grund-
satz des absoluten Territorialstaats: Quisquis est in territorio meo,
bezeichnet zwar den „Dienstmann“ als Untertan, macht aber noch immer den
Vorbehalt, „wenngleich das Dienstband an und für sich niemanden zum Unter-
tan macht, sondern nur Unterwürfigkeit bewirkt“ — eine Unterscheidung,
die an die Stellung der Landesfürsten gegenüber dem Kaiser erinnert (sub--
ordinati, nicht subditi), und sich zwanglos auch auf das ALR. anwenden
und dann noch schärfer erkennen ließe, wie wenig man nach dem persön-
lichen Untertanenverhältnis fragte, sondern nur nach dem konkreten Ver-
hältnis zwischen Staat und Individuum. Gegen FISCHER spricht scheinbar
der Umstand, daß man von „Naturalisation“ in jeder Zeit so gut wie nicht
gesprochen hat, sondern nur von receptio. Der Name tut ja aber wohl
der Sache selbst keinen Abbruch — und hier zeigt sich eben, daß FıscH«R
das persönliche Band zwischen Staat und Untertan von allen sonstigen
Verhältnissen loslöst, während überall sonst der Domizilbegriff mit dem
Untertanenverhältnis verquickt wird, die Mitwirkung des Staats bei der
Bürgerrechtsgewinnung von Ausländern die schwierigsten Probleme auf-
rollt, und der Beamte erst dann als Untertan angesehen wird, wenn er
sich niedergelassen hat. Es sei in dieser Hinsicht auf REHM a. a.0.$ 11
verwiesen. Aber die Konsequenz aus seiner Auffassung zieht FISCHER
nicht; er vermag die Abstraktion nicht durchzuführen und beschränkt sich
deshalb darauf, das geltende Recht wiederzugeben, ohne an Hand seiner
Unterscheidung ein neues System aufzubauen, woraus ihm indessen bei der
damaligen fast völligen Ignorierung des persönlichen Untertanenverhält-
nisses kein Vorwurf gemacht werden kann. Ueber das Territorialverhältnis
kam man nicht hinaus, daher denn auch das Laborieren mit dem domi-
cilium, das dann in der preußischen Praxis eine große Rolle spielen sollte,
besonders nachdem durch das Patent von 1804 die heimatrechtlichen Ver-
hältnisse neu geordnet waren. Nächst FiscHrr tritt erst GÖNNER (1804)
mit der Ansicht hervor, daß die Uebernahme eines Staatsamts die „Terri-
torialzugehörigkeit* begründe — und auch er bleibt so ganz am Territorium
kleben. — Es seien hier zwei süddeutsche Gegenstücke wiedergegeben,
aus denen klar hervorgeht, wie unmöglich es jener Zeit war, das persön-
liche Verhältnis zwischen Staat und Untertan zu erkennen, wie man ganz
in der ständischen und territorialen Auffassung stecken blieb.
1. Nach BazıLLe-Köstuin S. 127 ff. berubte in Württemberg die Staats-
angehörigkeit (d. h. wohl die Untertanschaft) auf dem Gemeindebürger-
recht dergestalt, daß sie mit diesem erworben und verloren wurde. Gegen
willkürliche Bürgeraufnahmen durch die Gemeinden und „damit zugleich
in die Staatsangehörigkeit schützte sich der Landesherr durch die Be-
stimmung, daß Ausländer ohne Erlaubnis der Regierungsbehörden in die
Gemeinde und damit auch in die Staatsangehörigkeit nicht aufgenommen