— 491 —
Individuum zugewiesenen Sphäre dessen eigene Initiative will oder
doch ihr mißtrauisch gegenübersteht, bricht bei dem Zusammen-
stoß hoffnungslos zusammen. Der Wiederaufbau des Staates geht
aus von der Beseitigung der provinziellen und ständischen Glie-
derung der Gesellschaft "’, der Gleichheit aller vor dem Gesetz,
das nur noch persönlich freie und unabhängige Angehörige des
Staates kennt". Damit ist trotz der nicht völligen Durchführung
dieses Programms die Notwendigkeit gegeben, das Verhältnis des
Staates zu den ihn bildenden Individuen klarzustellen; die seit-
herige kasuistische Umschreibung der Rechte und Pfliehten des
Einzelnen reicht nicht mehr aus. Denn nunmehr wendet sich der
nach Auflösung des alten Reichs nach jeder Richtung hin selb-
ständig gewordene Staat nicht mehr an die Bewohner des Terri-
toriums, sondern an seine Angehörigen, von denen er Abgaben
und Dienste begehrt, als deren wichtigste jetzt die allgemeine und
unmittelbare Wehrpflicht erscheint ''”, wofür er ihnen Rechts- und
persönlichen Schutz verspricht — aber nicht mehr unter der
Vorstellung eines do ut des, sondern eines echten mitgliedschaft-
15 Edikt vom 9. Okt. 1807, die „preußische Magna Charta nach An-
sicht Schöns* (MEIER, Französische Einflusse 2/468); über deren Tragweite
vgl. MEIER a. a. O. 2/275ff. Die „Entfeudalisierung‘ des Landes (MFIER
a. a. O. S. 359) blieb zunächst aus; die privatrechtliche berufsständische
Gliederung beseitigte erst das Regulierungsedikt vom 14. 11. 1811, die Ge-
meindefreiheit erscheint im Edikt vom 2. Nov. 1810 und dem Gesetz vom
7. Sept. 1811. Politisch änderte sich dadurch zunächst nichts.
116 Es handelt sich hier nur um die großen Gesichtspunkte, unter denen
die Reform stand. Tatsächlich besaß selbst Frankreich nicht mehr als
eine Repräsentativverfassung ; daher ist hier belanglos, daß in Preußen die
Wiederbelebung der alten ständischen Verhältnisse vorerst das anzustre-
bende Ziel darstellen, worüber sich sowohl Stein, wie Hardenberg und Hum-
boldt einig waren (MEIER a. a. O. 2/483). Viel wichtiger sind die Ein-
flüsse der Freibandelslehre, vgl. für das Edikt vom 9. 10. 1807 MEIER a.a. 0.
2/281, zu der Geschäftsinstruktion für die Regierungen vom 25. 12. 1808
MEIER, Verwaltungsreform S. 143, sowie allgemein die Bemerkungen über
Hardenberg bei MEIER, Französ. Einflüsse 2/399 ff. und bei BORNHAK, Ge-
schichte S. 372.
117 Ges. vom 3. 9. 1814.