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sich die Praxis zu helfen wußte, soweit Erwerb und Verlust der
Staatsangehörigkeit in Frage stand, ist im vorigen Abschnitt be-
reits mit dargestellt. Hierbei wurde sie von der auch die Verfasser
des ALR. beherrschenden Vertragstheorie unterstützt, deren Lehre
vom persönlichen Unterwerfungsvertrag die Schwierigkeiten zu
lösen schien und auch tatsächlich dazu führte, das Untertanen-
verhältnis, wenn auch noch nicht vom Territorium zu lösen, so
doch auf persönlicher Grundlage aufzubauen, wobei man dann
vereinzelt sogar dazu gelangte, das Wort „Untertan“ durch
„Staatsbürger“ zu ersetzen, wenn weniger die Beziehung auf das
Gehorchen, denn die Rücksicht auf die Rechte des Untertanen
als Staatsbürger zum Ausdruck kommen sollte !?. Aber dabei
122 Vgl. z. B. KLüßer $ 257. Ja man erkannte in Preußen schon vor
der DBA. die mit Schutzbriefen und Privilegien versehenen Juden
(etwa 30000) als vollberechtigte Staatsmitglieder an, Ed. vom 11. 3. 1812,
und dieses Ed. bringt direkt den auch vom ALR. hie und da verwendeten
Ausdruck „Preuß. Staatsbürger“, es spricht vom „Preuß. Staatsbürgerrecht*.
Nach 88 7 ff. wären der Inhalt dieses Staatsbürgerrechts gleiches bürger-
liches Recht und Freiheit, die Fähigkeit zu Aemtern (wobei jedoch hins.
der Besetzung von unmittelb. Staatsämtern Vorbehalte gemacht: sind),
Freiheit der Niederlassung, des Grundstückserwerbs und des Gewerbebe-
triebs. Dem entspricht die Gleichheit in den bürgerlichen Lasten und
Pflichten, insbes. in Ansehung der Wehrpflicht. Fremde oder ausländische
Juden dürfen sich erst nach Erwerb des Preuß. Staatsbürgerrechts nieder-
lassen, $ 31, wozu sie nur „auf Antrag der Regierung mit Genehmigung
Unseres Ministerii des Innern gelangen“, woraus dann die Praxis eine Er-
schwerung der Niederlassung ausländ. Juden herleitete, vgl. z. B. v. KAmprz
Jahrb. 1822 Nr. 47, 1826 Nr. 84. Alsdann aber „genießen sie mit den Ein-
ländern gleiche Rechte und Freiheiten‘, $& 83. Es ist bezeichnend, daß
nach diesem Wortlaut des Ed. der Erwerb des Preuß. Staatsbürgerrechts
die Eigenschaft als „einländischer Jude“ nicht begründet, der an sich
fremd bleibende Jude genießt nur gleiches Recht wie der Inländer. Das
Ed. erbringt also den Beweis, daß man sich über den Inhalt des Rechts-
vorgangs bei dem Erwerb eines Staatsbürgerrechts wenig Gedanken machte.
Schon klarer ist die VO. vom 22. 2. 1818 wegen Tragens der National-
kokarde, die bestimmt, daß „alle Staatsbürger“, die das 20. Jahr zurück-
gelegt haben, die Nat.Kokarde tragen sollen, wenn diese Ehre nicht durch
bestimmte Vorgänge verwirkt ist. Sie wird aber getragen „von allen, die
in Unseren Staaten geboren sind oder die Rechte Unserer Untertanen