— 501 —
politisches, kein rechtliches Prinzip ist, so folgt daraus, daß im ab-
soluten Staat das Untertanenverhältnis ebenfalls rein tatsächlicher
Natur, ein einfaches Gewaltunterworfensein ist. Der „absolute
Staat“ ist überhaupt kein Staat im Sinne einer rechtlich geord-
neten Gemeinschaft mit einer eigenen Persönlichkeit; allenfalls stellt
er eine tatsächlich geordnete Gemeinschaft dar, deren Einheit
nicht auf gewollter rechtlicher Ordnung der Volksgenossen, sondern
auf der Macht und dem Willen zum Herrschen des Inhabers der
absoluten tatsächlichen Gewalt beruht. Ob dieser Inhaber ein ein-
zelner oder eine Minorität oder die Gesamtheit ist, die einzelne Per-
sonen zur Inhaberschaft designiert, ist gleichgültig. Auch die Lehre
von der Volkssouveränität führt zuletzt zum Absolutismus, wenn
nicht die mitgliedschaftliche Sphäre der das Volk bildenden Indi-
viduen von der freien Persönlichkeit geschieden wird '?",
181 Es ist ein verhängnisvoller Irrtum, vom absoluten „Staat“ zu spre-
chen — der im Grunde nur auf der Nichtachtung des Rechts seitens des
absoluten Herrschers beruht, der in allem die ausgesprochene Verneinung
des Rechts, der keinen lebenden Gesamtkörper, sondern ein hohles Ge-
rippe darstellt, um das ein jeweils nach dem Winde gedrehtes Mäntelchen
von angeblichem „Recht“ gehängt ist. Der Absolutismus führt begriffs-
notwendig zu einem Auseinanderklaffen von Recht und dem als Staatsein-
heit proklamierten Herrscherwillen; deshalb ist es auch unmöglich, ein
„Staatsrecht* des absoluten Staats zu schreiben, man schreibt höchstens
ein Lehrbuch der Politik oder, wenn man sein Verwaltungsrecht darstellen
will, eine Polizeilehre. Wie sehr aber die beißende Lauge des Absolutis-
mus unser Rechtsbewußtsein zerfressen hat, beweist die fortgesetzte Un-
möglichkeit der Praxis und eines großen Teils der Wissenschaft, den nicht
nur gedanklich, sondern auch tatsächlich längst überwundenen „absoluten
Staat“ in die Rumpelkammer zu verweisen, in die er gehört. Wenn aber
noch nicht einmal die Wissenschaft sich dazu aufraffen kann, wenn sie
sich noch immer mehr oder weniger offen zum Absolutismus bekennt und
gelegentlich selbst oflenbare Rechtsbrüche beschönigt, dann braucht man
sich nicht zu wundern, wenn fürstliche Liebedienerei für ein Regiment
sorgt, das noch ganz in den Vorstellungen steckt, die uns nach Jena ge-
führt haben. Ebensowenig verwunderlich ist es dann, wenn nicht nur der
größte Teil der Verwaltung, sondern sogar „unabhängige“ Richter in
solchen Anschauungen befangen sind. Damit soll nicht bestritten werden,
daß vieles im heutigen Staat durch seine Vorstufe, den Polizeistaat, be-