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oberhaupts gegen die bürgerliche Gesellschaft“ begründet werden
sollten; denn man „müsse von einigen Rechten des Staates handeln,
die tagtäglich den Gegenstand der richterlichen Erkenntnisse
bilden“ '*,
Von dieser Seite gesehen, stellt sich das ALR. nicht nur als
eine allgemeine Kodifikation, sondern zugleich als eine Art von
Staatsgrundgesetz dar. Der Staat erscheint hier als oberste mo-
ralische Person, als reale Gesamtpersönlichkeit, als echtes staat-
liches Gemeinwesen, das nicht mehr zum Gehorchen gezwungene
Untertanen eines absoluten Herrschers kennt, sondern nur noch
Mitglieder des Staats, deren Sphäre von der Rechts- wie von der
Pflichtseite genau begrenzt ist, an deren Spitze ein Monarch aus
eigenem Recht als oberstes Organ des Staates und staatsrecht-
liches Haupt des Volkes steht. So enthält das ALR. bereits die
Anerkennung eines neben dem Privatrecht und dem Macht-
faktor Staat stehenden öffentlichen Rechts, eines Rechts, das die
innerstaatliche Lebenssphäre, das Innenleben des staatlichen Ge-
meinwesens regelt, wie sich das besonders deutlich und schön in
der besprochenen Stellung des Beamten zeigt, dessen staatsfreie
Sphäre, seine Bewegungsfreiheit als Privatmann, durch das Amt,
auf dem das unmittelbare Verbältnis zum Staat beruht, nicht be-
rührt wird. Bezeichnend für diese Auffassung ist die Entwicke-
lung der Majestätsrechte von der Pflichtseite her — ganz ent-
sprechend der jener Zeit gemäßen Auffassung der moralischen
Persönlichkeit als repräsentative Sozietät, als Inbegriff individueller
gegenseitiger Rechte und Pflichten, über welche Auffassung
auch hinsichtlich der Staatspersönlichkeit die Verfasser des ALR.
nicht hinwegkamen. Aber damit trägt gleichzeitig dieser schöne
Gedanke der Staatspersönlichkeit auf mitgliedschaftlicher Grund-
lage von vornherein den Todeskeim in sich. So mußte von vorn-
herein der Versuch der Vereinigung dieser Seite der Staatsauf-
140 SVAREZ in Gesetzesrev. Pens. XII S. 87.