— 512 —
hat vor dem Prinzip des Rechtsstaats kapituliert, das Gesamtrecht
ist anerkannt, aus dem auch der Herrscher sein Recht ableitet, auch
wenn es ihm in der Gesamtheit aus eigenem Recht zusteht. Der
absolut regierte alte Feudalstaat — ein ir sich widerspruchsvolles
Monstrum — ist damit zu Ende, er ist in den Einheitsstaat auf
mitgliedschaftlicher Grundlage übergeführt.
Bis zur endgültigen Durchführung dieses neuen Prinzips,
seiner Umsetzung in die reale Wirklichkeit war noch ein weiter
Weg. So spiegelt die Folgezeit den Kampf um die Ausgleichung
der beiden Faktoren wieder, die bereits im ALR, die Durchführung
der inneren Staatseinheit auf der Grundlage des Rechtsstaats ver-
hindert hatten. Auf der einen Seite steht das absolute Königtum
von Gottesgnaden, als Inbegriff aller politischen Macht im und am
Staat, das jetzt erst zur wahren Vollendung gelangt ist, nachdem
alle Zwischenglieder zwischen Herrscher und Untertan gefallen,
die seitherige innere Zerrissenheit beseitigt, der souveräne Einheits-
staat proklamiert ist. Und insofern ist es richtig, wenn Preußen
bis 1848 als absoluter Staat bezeichnet wird !°!. Aber diese Staats-
einheit herbeizuführen war eben nur möglich unter Beachtung
des zweiten Faktors der jetzt modifizierten landrechtlichen Staats-
auffassung, der repräsentativen Stellung des Königs nicht als
absoluter Monarch, sondern als Spitze des Staatsvolks, der den
Staat bildenden Gemeinschaft. Das ALR. will bereits — ohne es
durchführen zu können — echte und wahre Rechte und Pflichten
des Volks und des Staatsoberhaupts aussprechen; zu der bloßen
Erklärung dieser Auffassung mußte noch die Durchführung hinzu-
kommen, die in dem Versprechen einer Nationalrepräsentation, einer
wirklichen Verfassung ihren stärksten Ausdruck findet, -wie sie
gerade Preußen auf dem Wiener Kongreß ernsthaft verfocht. Die
Ausführung dieses Versprechens bewegte sich indessen in der-
selben absteigenden Linie. wie die in Aussicht genommene Zusage
1531 So z. B. von AnscHürz, Kommentar zur VU., Bd. 1 8. 20.