Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

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allgemeinen Wehrpflicht durch ein besonderes Gesetz!°?. Soweit 
keine gesetzliche Grundlage für die Beschränkung der individu- 
ellen Freiheit besteht, ist der Untertan nicht verpflichtet; er ist 
dem Willen des höheren Gemeinwesens zwar unterstellt, aber 
nicht mehr ihm schrankenlos unterworfen !%. Und wenn in der 
Folge auch noch häufig eine schrankenlose Verwaltungswillkür 
stattfand, so ist dies nicht der Beweis für die Ableitung der spä- 
teren Grundrechte aus besonderer königlicher Gnade, sondern nur 
ein Beweis dafür, daß der im Grunde bereits Rechtsstaat gewor- 
dene preußische Staat!®® die mitgliedschaftliche Freiheitssphäre 
  
  
158 Sehr bezeichnend ist die Einleitung zu diesem Gesetz vom 3. 9. 
1814, in der zum Ausdruck gebracht wird, daß der König nur den Willen 
des Volks vollziehe, daß er nur dem Wunsch der ganzen Nation entspreche, 
wenn er kraft der in seiner Person vereinigten staatlichen Machtfülle all- 
gemein verbindlich die persönliche Dienstpflicht der Untertanen für den 
Staat in Anspruch nimmt. Und zwar faßt man diese Anordnung nicht als 
ein Gesetz auf wie jedes andre Gesetz auch, sondern als „Grundgesetz der 
Kriegsverfassung des Staats“. Deutlicher kann man nicht gut zum Aus- 
druck bringen, daß der Staat nur kraft. dieser grundgesetzlichen Ver- 
pflichtung den Untertan in Anspruch nimmt und außerhalb dieser gesetz- 
lich festgelegten Grenzen der individuellen Freiheit durch Kriegsdienste 
für den Staat keinen Abbruch tun will. 
154 Die Frage, ob eine schrankenlose Unterwerfung unter den Willen 
eines absoluten Herrschers bestehe, gab der Staatsrechtswissenschaft manch’ 
harte Nuß zu knacken. Man bebalf sich mit der Formel, daß man Gott 
mehr gehorchen müsse als den Menschen, daß daher die Anordnungen der 
von Gott gesetzten Staatsgewalt oder Obrigkeit rechtmäßig seien (MOSER, 
Staatsrecht 24, 48, 187 usw.). Deshalb ließ man auch im Falle des Be- 
streitens ihrer Verpflichtung die Untertanen bis zu ausgemachter Sache 
Gehorsam schuldig sein (Wahlkap. Art. XIX $ 7 a. E.). Andererseits er- 
gab sich aus diesem Satz die Anerkennung gewisser Schranken für die 
Omnipotenz des Herrschers, über die selbst STAHL nicht hinwegkam, vgl. 
dessen Philosophie des Rechts 2. Aufl. II S. 228. 
155 Der Preußische Staat wurde von König und Volk neu aufgerichtet. 
Die Gesetze der Restaurationszeit sind, wie alle echten Gesetze, nur der 
Ausdruck der in der Wirklichkeit längst vorhandenen Auffassung, zu der 
sie nur in einer für Alle verbindlichen Weise Stellung nehmen. Deshalb 
ist es auch im Grunde gleichgültig, daß diese Gesetze vom König allein 
ausgingen — daß sie den Nagel auf den Kopf trafen, beweisen die Lei-
	        
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