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Aktienkapitals erfolgte trotz der schlechten Zeit verhältnismäßig schnell,
nachdem der Vizekönig 32 Millionen als Erster gezeichnet hatte. Dieser
übernahm später auch den nicht untergebrachten Rest des Aktienkapitals
und vereinigte fast die Hälfte, nämlich 176 602 Aktien, in seiner Hand.
Während nicht bloß die Türkei, sondern vor allen auch Frankreich,
und weiterhin Oesterreich-Ungarn, Italien, Spanien und Holland dem Unter-
nehmen wohlwollend gegenüberstanden, war England ein heftiger Gegner
des Kanalprojekts. Lord Palmerston befürchtete von der Verwirklichung
der Lessepsschen Pläne eine weitere Stärkung des durch den Bonaparte-
schen Feldzug neu begründeten Einflusses von Frankreich und suchte mit
allen diplomatischen Mitteln zu verhindern, daß der müchtigste Rivale
in Aegypten einen neuen Stützpunkt gewinne. Obschon die englischen
Freihandelskreise und die gesamte englische Presse mit Ausnahme der
Times sich von dem geplanten Werke große wirtschaftliche Vorteile ver-
sprachen, wußte das amtliche England lange Zeit die Bestätigung des
ägyptischen Firmans zu verhindern. Selbst nachdem am 15. Dez. 1857
die Suezkanalgesellschaft ins Leben getreten und am 25. April 1859 der
erste Spatenstich bei Port Said erfolgt war, setzten die englischen Intri-
guen nochmals mit verstärktem Nachdruck ein. Nur dem energischen Auf-
treten Napoleons, der auch einen Streit zwischen der Kanalgesellschaft
und der ägyptischen Regierung am 6. Juni 1864 schiedsrichterlich ent-
schied, gelang es, der Türkei den Nacken zu steifen und die Durchführung
des Projekts zu sichern. Als das Werk fast schon vollendet war, am
19, März 1866, erteilte die Türkei den längst gewünschten Firman, und anı
17. Nov. 1869 fand die Eröffnungsfeier statt.
II. Ein Suezkanalrecht brachte erst der Vertrag von Konstanti-
nopel vom 29. Okt. 1888. Auch hier hatten große Schwierigkeiten über-
wunden werden müssen.
1. Der Plan ging von Anfang an auf freie Fahrtund
Neutralisierung des Suezkanals. Bereits die Konzessionsur-
kunde von 1856 (Art. 14) hatte den „Suezkanal sowie die damit zusammen-
hängenden Häfen, welche für immer offen sind, als neutrale Durchgänge
für jedes Handelsschiff* erklärt. Dieser Gedanke bedurfte aber noch der
internationalen Garantie und lag denn auch den Vorschlägen
von Lesseps zugrunde, die dieser 1856 der Pariser Konferenz unterbreitete
und die zwar von Frankreich, Preußen und Sardinien für verhandlungs-
fähig erklärt, aber von dem englischen Gesandten Lord Clarendon ent-
schieden abgelehnt wurden. Die Vorschläge von Lesseps vom Jühre 1860
und 1863 hatten keinen besseren Erfolg. Dasselbe gilt von den Wünschen
des „Congres commercial et international du Caire* von 1869 (kurz vor
der Eröffnung des Kanals). Bis jetzt war immer nur von der freien Durchı-
fahrt der Handelsschiffe die Rede. Die Praxis des Krieges von 1870/71
dehnte das aber auf die Kriegsschiffe, und zwar auch der Kriegführenden