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des Art. 35 Abs. II Satz 1 dadurch eine Umdeutung erfahren,
daß nachträglich im Jahre 1912 in der Begründung zum Ausf.-
Ges. zur RVO. dem $ 19 jener Ministerialbekanntmachung zuge-
stimmt wird. Hier hat in der Tat der Gesetzgeber selbst inter-
pretiert, aber es geschah das nur in der Begründung zum Ent-
wurf eines neuen Gesetzes und nicht in authentischer Form. Einer
solchen Begründung kommt allerdings gar keine Bedeutung für
den Anordnungswillen des früher erlassenen Gesetzes zu. Sie ist
als Auslegungsbehelf von Wert höchstens für das neue, nicht
aber für das schon früher erlassene Gesetz, für dieses ist nur der
Wille des Gesetzgebers von 1908, nicht derjenige des Gesetzgebers
von 1912 maßgebend. Auch werden die Schwächen einer Argu-
mentation oder auch bloßen Behauptung durch Wiederholung oder
bloße Akklamation nicht gehoben.
Ueberzeugend sind nach alledem für unseren Fall auch die
Auslegungsregeln nicht, welche das oberstrichterliche Erkenntnis
zum Schluß formuliert, so gehaltvoll diese Regeln an allgemeinen
Rechtsgedanken auch sein mögen. Das Erkenntnis führt aus:
„Die Motive haben weder die Bestimmung noch die Macht,
das Gesetz zu deklarieren (Entschließung des RG. in ZS. Bd. 51
S. 274). Für die Auslegung des Gesetzes ist grundsätzlich ent-
scheidend nur die in den Worten des Gesetzes enthaltene Er-
klärung. Es gibt keinen Auslegungsgrundsatz des Inhalts, daß der
das Gesetz Anwendende vor allem oder nur zu erforschen hat,
was der Gesetzgeber gewollt oder nicht gewollt hat. Der Mangel
einer gesetzlichen Vorschrift kann, auch wenn er darauf beruht,
daß der Gesetzgeber irrtümlich geglaubt hat, die Vorschrift sei
im Gesetz enthalten, von dem nur zur Anwendung des Gesetzes
Berufenen nicht beseitigt werden. Dies wäre eine sachliche Er-
gänzung des Gesetzes, die nur dem Gesetzgeber zusteht (Samnıl.
Bd. 6 S. 354/55).* |
Ohne Zweifel sind diese Auslegungsgrundsätze, welche das
Oberste Landesgericht als Richtschnur aufstellt, im allgemeinen