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LABAND freilich hält es (a. a. O. S. 63) für eine Chimäre,
„die staatlichen Aufgaben dergestalt in zwei Teile zerlegen zu
wollen, daß auf jedem dieser beiden Teile eine gesonderte Staats-
gewalt unabhängig von der anderen herrsche“. Aber, ist zu ent-
gegnen, das kann man, ohne „das Gesamtleben der Nation aus-
einanderzureißen“ und ohne zu negieren, daß „alle Aufgaben
und Zwecke des Staates und demgemäß alle Einrichtungen und
Herrschaftsrechte des Staates in Wechselwirkung stehen und sich
gegenseitig bestimmen“.
Denn es ist weder notwendig noch auch das Normale, daß
mehrere — neben einander staatliche Herrschaftsrechte
ausübende — Herrschaftssubjekte dieselben ohne Rücksicht
auf einander ausüben, wenn kein Rechtsgebot diese Rück-
sichtnahme mit staatlicher Zwangsmacht durchsetzt: Ueben doch
auch die Subjekte der internationalen Gemein-
schaftihre Hoheitsrechte zwar unabhängig von
einander, aber darum nicht ohne Rücksicht auf
einander aus; Beweis dafür ist das in sieghaftem Vordringen
begriffene Völkerrecht".
Wenn aber schon in den Beziehungen der internationalen
Staaten unter einander die Anerkennung einer Interessengemein-
schaft, das Bewußtsein von der Solidarität aller Menschen und
Völker und auch ein gewisser „raffinierter Egoismus* (Gareis.
Ene. S. 3 ff.) die Subjekte der internationalen Gemeinschaft vor
einer rücksichtslosen Durchsetzung und einseitigen Betonung des
eigenen Interesses in den weitaus meisten Fällen abhält und sie
zu einer mehr oder minder engen Fühlungnahme mit den ande-
ren Staaten veranlaßt, so sind solche Garantien für ein kol-
legiales Zusammenwirken einander koordinierter Staaten in ganz
besonderem Maße bei einem Bundesstaate gegeben, wo, wie im
Deutschen Reich, die Interessenharmonie und das Ge-
13 Vyl. insbes. Liszt, Völkerrecht, 1913, S. 1 ff.