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Ausführungen ergibt, nicht zutreffend, das Problem auf den Gegen-
satz zwischen konstitutioneller und absoluter Verfassung abzu-
stellen. Wenn man schon die fortdauernde Gültigkeit alter Ge-
setze bestreitet, dann tut man es am ehesten aus dem Grunde,
weil sie aus der absoluten Zeit überkommen sind. Dieses
„Weil“ ist aber unzutreffend, bringt nur einen Scheingrund zum
Ausdruck. Daß ein Gesetz zur Zeit des Absolutismus entstanden
ist, ist kein Argument dafür, daß es in der Zeit des Konstitutio-
nalismus nicht mehr gelte. Es mag vielleicht gegen den
Geist einer modernen Verfassung verstoßen, Gesetze, die noch völlig
den Geist des vormärzlichen Polizeistaates atmen, neben den mo-
dernsten Rechtsschöpfungen nach wie vor anzuwenden. Wie aber
überhaupt politische Erwägungen die Jurisprudenz nur verfälschen
können, so auch hier. An sich war und ist der Verfassungswandel
keineswegs geeignet, die Gültigkeit der vorkonstitutionellen Rechts-
erscheinungen zu berühren. Sie gelten, so lange der Staat be-
steht, in dem sie zustande gekommen sind; sie tberdauern die
Verfassung, wenn diese im Staate, ohne Staatsumwälzung eine
Aenderung erfährt. Sie gelten insolange ausnahmslos und zur
Gänze, und nur kraft des Rechtssatzes der lex posterior, der kraft
der Verfassung des absoluten Staates freilich ebenso galt, wie kraft
des heutigen Staates ®l, treten sie außer Kraft. Ist aber die
Staatsidentität nicht gewahrt, so ist auch die Rechtskontinuität
unterbrochen. Und insoweit gilt das Recht des absoluten Staates
im Zweifel gar nicht: nicht weil es Recht des dem Konstitutio-
nalismus fernstehenden Absolutismus, sondern weil es das Recht
eines fremden Staates ist.
Die Grenzen zwischen Staat und Staat sind nicht dieselben
wie zwischen konstitutioneller und absoluter Verfassungsepoche.
Es muß hier einfach auf das im verfassungsgeschichtlichen Ueber-
blick Angedeutete verwiesen werden.
5sı Recht war der jeweilige — wie man nach der Majoritätsmeinung
etwa noch hinzufügen kann: kundgemachte — subjektive Wille des Mon-
archen.