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Dr. jur. Erwin Jacobi, a. o. Professor an der Universität Leipzig, Der
Rechtsbestand der Deutschen Bundesstaaten.
Leipzig, Felix Meiner, 1917, 112 S.
Diese Schrift ist eine Verschwendung von viel Fleiß und Scharfsinn;
sie behandelt eine Frage mit eindringender Gründlichkeit, welche, wenn
sie praktisch werden sollte, niemals nach den Rechtsgrundsätzen und am
wenigsten nach den vom Verfasser entwickelten praktisch behandelt und
entschieden werden wird. Den Anlaß zu der Untersuchung bildet das Er-
löschen des regierenden Geschlechts in Schwarzburg-Sondershausen und
das zu erwartende Erlöschen von Reuß jüngerer Linie. Eine Personalunion
der betreffenden Kleinstaaten bietet keine juristische Schwierigkeit, wohl
aber eine Verschmelzung zweier Staaten zu einem. Das gleiche Problem
bietet die Teilung eines Staats in zwei oder mehrere, sowie überhaupt der
Untergang oder die Bildung eines neuen Bundesstaates. Der Verfasser
gruppiert die Theorien der deutschen Literatur in vier Klassen, nämlich
die Lehren, nach denen die deutschen Bundesstaaten über ihre Existenz
nicht verfügen können, sodann die Lehren, nach denen sie verfügen können,
ferner nach denen das Reich das Verfügungsrecht über die Existenz der
Bundesstaaten bat und endlich nach denen das Reich dieses Verfügungs-
recht nicht hat. Alle diese Theorien werden als falsch oder ungenügend
vom Verfasser nachgewiesen und er selbst stellt nach dm gegenwär-
tigen Inhalt der Reichsverfassung die Theorie auf, daß das Reich und
die Einzelstaaten zusammen diese Verfügungsmacht haben. Damit kann
man sich einverstanden erklären; der Verf. stellt aber noch ein weiteres
besonderes Erfordernis auf. Er macht nämlich darauf aufmerksam, daß
ein Reichsgesetz die Existenz der einzelnen Staaten nicht sichern würde,
da die Verfassung geändert werden kann, wenn im Bundesrat weniger als
14 Stimmen dagegen abgegeben werden. Der Verfasser stellt daher die
Anwendung des Artikel 78 Absatz 2 als erforderlich auf, das heißt, daß
jeder Staat, der aufgehoben werden soll, seine Zustimmung dazu erklärt,
indem er die im Artikel 6 der Reichsverfassung aufgeführten Stimmen als
Sonderrechte der Einzelstaaten ansieht. Da aber nicht nur die Verfassung des
Reichs, sondern auch das verhältnismäßige Stimmgewicht der einzelnen
Staaten eine Veränderung erleiden würde, so hält der Verfasser einen ein-
stimmigen Beschluß aller Bundesstaaten im Bundesrat für erforderlich. Nur
dadurch sei die Existenz aller einzelnen Staaten, ja von Gruppen von je
13 Staaten wirksam gesichert. Diese scharfsinnig begründete Theorie schießt
über das Ziel hinaus. Wenn die überwiegende Mehrheit der Bundesstaaten,
wie sie zu jedem die Reichsverfassung ändernden Reichsgesetz erforderlich
ist, ferner die Majorität des Reichstags und die Einwilligung des Staates
selbst, um dessen Existenz es sich handelt, einverstanden darüber sind,
daß dieser Staat nicht länger fortbestehen, sondern untergehen soll, 80
wird diese Maßnahme nicht dadurch vereitelt werden können, daß ein UN-